Simone Scamander
Worum geht's? Vor einigen Jahren wurden Ellie und ihr Vater, der Alchemist Sir Arthur, aus Lacey Hall vertrieben. Nach dem Tod des Earl von Dorset hat der junge Will die Aufgaben des Familienoberhauptes übernommen und die beiden voller Hass auf die Straße geschickt. Schließlich hat der Alchemist seine Familie in den Ruin getrieben! Mittlerweile sind vier Jahre vergangen und Will ist zu einem pflichtbewussten Mann geworden. Aus Liebe zu seiner Familie begibt er sich nun auf Brautschau. Eine Dame aus gutem Hause muss her, die mit einer großen Mitgift die Ländereien der Laceys retten kann. Doch statt sich eine vermögende Lady zu suchen, verguckt sich der junge Lord in die gebildete Komtess Eleanor - die in Wirklichkeit niemand anderes als die mittellose, verhasste Tochter des Alchemisten ist! Ellie genießt Wills Aufmerksamkeit, ist sich aber darüber im Klaren, dass diese Verbindung niemals zustande kommen kann. Nicht nur, dass sie keine Mitgift aufbringen könnte: Sobald Will herausfindet, wer sie wirklich ist, wird ihr sein Hass das Herz brechen... Kaufgrund: Historische Jugendromane haben dank Mary Hooper einen festen Platz in meinem Herzen. Auf eine neue Autorin in diesem Genre, nämlich Eve Edwards, bin ich durch einen glücklichen Zufall gestoßen. Mein Interesse war augenblicklich geweckt! Meine Meinung: Mit "Die Sehnsuchtsvolle" startet Eve Edwards eine historische Jugendbuchserie: Die Lacey-Chroniken. Im mittelalterlichen England, genauer gesagt zu Königin Elisabeths Herrschaftszeit im sechzehnten Jahrhundert, suchen die adeligen, aber verarmten Lacey-Brüder nach reichen Gemahlinnen, um ihr Herrschaftsgut zu sichern. Der älteste von ihnen, Will, ist in Edwards Serie der erste, der auf Brautschau geht. Wie zu dieser Zeit üblich, sucht er nach einer guten Partie - schließlich liegt seit dem Tod seines Vaters die Verantwortung für seine Familie in seinen Händen. Obwohl er neben dem impulsiven James und dem frechen Tobias noch der vernünftigste der drei Lacey-Brüder ist, muss auch Will sich bald eingestehen, dass die Macht der Gefühle nicht zu unterschätzen ist... Eve Edwards hat in "Die Sehnsuchtsvolle" eine realistische und authentische Welt geschaffen, die mit einer großartigen historischen Atmosphäre überzeugen kann. Durch ihre gute Recherchearbeit, die zeitgerechten Geschehnisse und Umstände sowie dem Auftreten von Persönlichkeiten, die tatsächlich im sechzehnten Jahrhundert gelebt haben, bekommt man das mittelalterliche England hautnah zu spüren. Es fällt einem als Leser nicht schwer, sich auf diese Reise in die Vergangenheit einzulassen und völlig in Edwards Welt einzutauchen. Dank ihres jugendlich-leichten Schreibstils möchte man schließlich auch nicht mehr aus ihr heraus, wodurch sich "Die Sehnsuchtsvolle" zu einem waschechten Page-Turner entwickelt. Allerdings ist Edwards an einigen Stellen sehr sparsam mit ihren Erläuterungen und Ausführungen umgegangen. Ich hätte mir gewünscht, dass sie die historischen Ereignisse näher betrachtet, statt sie bloß der Vollständigkeit halber oberflächlich anzukratzen. Zugegeben: Die Geschichte in "Die Sehnsuchtsvolle" gehört nicht zu den anspruchsvollsten. Sie bietet nur wenig Überraschungen, kann nicht mit unerwarteten Wendungen schockieren und große Geheimnisse, die es zu entdecken gilt, findet man hier auch nicht. Kurzum: "Die Sehnsuchtsvolle" ist ein derart durchsichtiges Buch, dass man bereits zu Beginn weiß, wie es ausgehen wird. Dafür gibt es aber eine gewaltige Portion von dem, was uns so zum Schmelzen und Mitfiebern bringt: Gefühl! Ob Liebe während einer romantischen Szene oder unfassbare Trauer nach einem schrecklichen Unfall - Eve Edwards berührt mit jedem Wort, das sie niedergeschrieben hat. Will und Ellie, das Protagonistenduo in diesem Serienstart, ist ein Traumpaar, das sich zuerst selbst nicht eingestehen will, wie perfekt sie zueinander passen. Von einer unheilvollen Vergangenheit geprägt, scheint eine Liebe zwischen ihnen undenkbar. Will kann und will Sir Arthur nicht verzeihen, der die Laceys mit seiner unnützen Alchemie in den Ruin getrieben hat. Dass Ellie die Tätigkeiten ihres Vaters ebenfalls bedrücken könnte, kommt dem jungen Familienoberhaupt gar nicht in den Sinn. Der Tod seines Vaters und die großen Pflichten, derer Will sich annehmen musste, haben sein Herz erkalten, ihn zu einem griesgrämigen Mann heranwachsen lassen. Nachdem er Sir Arthur mitsamt Tochter vor vier Jahren aus Lacey Hall vertrieben hat, trifft Will während seiner Suche nach einer reichen Braut Ellie wieder - und erkennt sie nicht einmal! Augenblicklich ist er vernarrt in die junge Komtess, die sein Herz erweichen lässt. Die weiß jedoch genau, wer Will ist. Selbst von ihren Gefühlen überwältigt, lässt sich Ellie auf ein riskanten Spielchen mit Will ein: Sie erwidert seine Flirtversuche; wohl wissend, welche Reaktion sie erwarten wird, sobald er sie wiedererkennt. Auch als Leser ist einem klar, dass dieses Drama nicht gut ausgehen kann. Doch die sympathische und kluge Ellie hat einen mit ihrer Art so bezaubert, dass man trotzdem für sie hofft, es würde nicht passieren. Als das Unvermeidliche geschieht, verliert die Liebesgeschichte stark an Reiz. Der "große Knall" fällt äußerst mickrig aus und überhaupt ist alles viel zu schnell wieder Friede, Freude, Eierkuchen! Ist diese Enttäuschung erst einmal überwunden, fiebert man wieder aufrichtig mit. Der Zwist der Vergangenheit mag überwunden sein, aber Ellie und Will dürfen einander dennoch nicht lieben. Schließlich ist Ellie mittellos und Will sucht eine reiche Gemahlin - wie Lady Jane... Herzschmerz pur! Edwards beschreibt ihre Geschichte durch einen außenstehenden, allwissenden Erzähler, um sich nicht auf bestimmte Hauptcharaktere festlegen zu müssen. Sie spezialisiert sich zwar auf Ellie und Will, lässt es sich aber nicht nehmen, auch andere Figuren genauer unter die Lupe nehmen zu können. Auf diese Weise ermöglicht sie es uns, Lady Janes Werdegang von einer arroganten Egomanin in eine fürsorgliche Freundin miterleben, den Gram der Zofe Nell und ihre eigennützigen Entscheidungen nachvollziehen und Sir Arthurs Fanatismus für die Alchemie verstehen zu können. Blass oder gar oberflächlich bleiben die Nebencharaktere in "Die Sehnsuchtsvolle" nicht! Das James, Wills Bruder, im Gegensatz zu anderen Figuren so wenig Beachtung erhält, hat einen guten Grund: Im zweiten Teil der Lacey-Chroniken, "Die Herzentflammte", wird er den Part des Protagonisten übernehmen! Cover: Wenn man schon ein Mädchen nehmen muss, kann man dann wenigstens eines nehmen, dass der Protagonistin ähnlich sieht? Einfallslos, wie dieses Cover ist, sticht es nicht aus der breiten Maße heraus. Immerhin ist der Schriftzug hübsch anzusehen... Fazit: "Die Sehnsuchtsvolle" ist ein toller historischer Jugendroman, der zwar weniger mit einer anspruchsvollen Geschichte, dafür aber mit einer großen Portion Gefühl überzeugen kann! Wer nach einem Buch sucht, das einem einfach ein gutes Gefühl beim Lesen gibt, der sollte hier zugreifen. Für jede Menge Herzschmerz gibt es 4 Lurche.