Simone Scamander
Worum geht's? Für ihren Vater ist Jane nichts anderes als eine Schachfigur in seinem Spiel um Macht. Seine gesellschaftliche Stellung ist alles, was ihn interessiert. Jane weigert sich jedoch strikt, ihn bei seinen Machtspielchen zu unterstützen - und zieht somit den Hass ihrer gesamten Familie auf sich. Sie steht am Abgrund ihrer Existenz, als der alte Marquise von Rievaulx sie aus Mitleid zur Frau nimmt und rettet. Er ist es auch, der Jane nach seinem Tode eine Stellung als Hofdame der Königin sichert, um sie nicht nur vor ihrer Familie, sondern auch vor ihren geldgierigen Stiefsöhnen zu beschützen. Dort trifft sie auf James Lacey, den Bruder des Mannes, dem sie vor einiger Zeit die Ehe verweigerte und damit ihren eigenen Vater erboste. Schon immer hat sich Jane zu James hingezogen gefühlt und auch er kann seine Gefühle für sie kaum verbergen. Doch bevor sie zu ihrer Liebe stehen können, muss James in das unbekannte Amerika reisen. Während Jane auf seine Rückkehr wartet, wird sie mit einer grausigen Nachricht überrascht: Ihr Vater hat sie an einen französischen Adeligen versprochen. Kaufgrund: Eve Edwards hat sich nach ihrem Start der Lacey-Chroniken, "Die Sehnsuchtsvolle", als eine der erfolgversprechendsten Autorinnen für historische Jugendromane erwiesen. Kein Wunder also, dass auch "Die Herzentflammte" in meinem Regal landen musste! Meine Meinung: Wir schreiben das Jahr 1583: Ein Jahr ist vergangen, seit die Geschehnisse aus "Die Sehnsuchtsvolle" ihren Laufen nahmen. Diesmal konzentriert sich die Geschichte jedoch auf Jane, die für ihre Freundin Ellie die Hochzeit mit Will Lacey verweigerte. Dieselben Charaktere, dasselbe Setting, dieselben Schicksale - obwohl es sich hierbei um den zweiten Teil der Lacey-Chroniken handelt, kann der Roman ohne Bedenken ohne "Die Sehnsuchtsvolle" gelesen und als eigenständiges Buch betrachtet werden. "Die Herzentflammte" verfolgt einen anderen Handlungsstrang und liefert mitsamt einer Wiederholungsphase alle Informationen, die zum Verständnis benötigt werden. "Die Herzentflammte" spielt zum größten Teil am Hofe der Königin. Zärtliche Affären, grausige Intrigen, königliche Dramatik und jede Menge Herzschmerz sind es, die - wie sollte es am Palast auch sonst sein - die Geschichte bestimmen. Falsche Versprechungen, Morddrohungen und tödliche Attentate stehen in der Welt des Adels an der Tagesordnung. Edwards hat dieses intrigante Leben am Hofe großartig eingefangen und grandios genutzt, um eine spannende und aufregende Geschichte zu schreiben, die ans Herz geht. Edwards versteift sich nicht auf einen Handlungsstrang und lässt zahlreiche andere miteinfließen, wodurch sie ein riesiges realistisches Netz der damaligen Zeit webt. Die Entdeckung und Eroberung Amerikas, die Indianer, der Zwist mit Spanien, die Religion sowie die bürgerlichen Lebensumstände werden neben dem höfischen Leben dargestellt, als hätte Edwards es tatsächlich am eigenen Leben miterlebt. Dank der Wahl eines auktorialen Erzählers gibt es in "Die Herzentflammte" nicht nur eine Protagonistin. Ganze vier Hauptcharaktere sind es, auf die wir während des Romans treffen. Neben Jane Rievaulx und ihrem geliebten James Lacey gibt es noch ein weiteres Pärchen, das die Leser zum Schwärmen bringen wird: Janes beste, aber rang-niedrigere Freundin Milly und James afrikanischer Diener Diego. Während das erste Paar in die höfische und adelige Beziehungswelt entführt, zeigen Milly und Diego eine Liebe unter bürgerlichen Umständen. Alle Liebenden haben mit Problemen zu kämpfen, die sie geprägt haben: Jane kämpft um ihre Freiheit, um nicht länger eine Spielfigur ihres Vaters zu sein; James versucht verzweifelt, die Dinge zu verarbeiten, die er im Krieg erlebt habt; Milly bemüht sich mit aller Kraft darum, nach ihrem Fall in der Gesellschaftsordnung eine neue Existenz als Geschäftsfrau aufzubauen und Diego muss sich mit den für ihn sittenfremden Engländern und dem Rassismus der damaligen Zeit stellen. Eine Hand wäscht die andere und so halten die vier Freunde zusammen und unterstützen sich gegenseitig, wo es ihnen möglich ist. Die unterschiedlichen Protagonisten bilden ein sympathisches Quartett, um deren Schicksale man als Leser zu tiefst besorgt ist. Sie wachsen einem mit ihren einzigartigen Persönlichkeiten so ans Herz, dass man unbedingt erfahren möchte, wie es mit ihnen weitergeht. Diese Sympathie ist es, die "Die Herzentflammte" so mitreißend macht! Bei vier Hauptcharakteren ist es kein Wunder, dass die Nebenfiguren untergehen und wenig Aufmerksamkeit erhalten. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Eve Edwards hier eine Menge Chancen vertan hat! Viele von ihnen Charakteren möchte man näher kennenlernen, aber man bekommt keine Gelegenheit dazu. Bei den Laceys, speziell James Bruder Will und seiner Frau Ellie, drücke ich noch einmal ein Auge zu - schließlich hat ihnen Edwards in "Die Sehnsuchtsvolle" einen eigenen Roman gewidmet. Der charmante Schauspieler Christopher Turner jedoch spielt weder eine Rolle in diesem, noch in dem anderen Buch der Autorin. Dabei hätte er als Schauspieler einen Moment im Scheinwerferlicht wirklich verdient! Christopher scheint nur als Mittel zum Zweck in die Handlung gebracht worden zu sein, besitzt aber eine zu interessante und verworrene Beziehung zu den Laceys. Seine unberechtigte Nebenrolle verzeihe ich Edwards erst dann, wenn ich ihr nächstes Buch in den Händen halte - denn im dritten Band der Lacey-Chroniken wird er die Hauptrolle spielen dürfen! Der Schreibstil der Autorin bietet eine gelungene Mischung aus realistischer mittelalterlicher Sprache und lockerem, leichtem Jugendstil. Eve Edwards ist es mit dieser geschickten Kombination gelungen, eine authentische Atmosphäre des sechzehnten Jahrhunderts zu schaffen, ohne dabei einen aufgesetzten oder gar überzogenen Eindruck zu erwecken. Ihre fleißige Recherchearbeit, die sie bereits im Vorgänger unter Beweis gestellt hat, unterstützt das historische Lesefeeling. Nicht nur Königin Elisabeth und ihr Günstling Raleigh finden als wichtige Persönlichkeiten Erwähnung, auch Dr. Dee oder Maria Stuart dürfen sich über kleine Nebenrollen freuen. Cover: Wie bereits bei "Die Sehnsuchtsvolle" gefällt mir an diesem Cover höchstens der Schriftzug. Es sieht zu gewöhnlich aus und spiegelt nicht einmal das historische des Romans wieder. Schade! Fazit: "Die Herzentflammte" ist eine solide "Fortsetzung" zu "Die Sehnsuchtsvolle", die es sogar ein klein wenig besser macht als der Vorgänger. Noch mehr Dramatik, Intrigen und Herzschmerz machen Edwards zweiten Teil der Lacey-Chroniken zu einem wunderbaren Lesespaß. Für "Die Herzentflammte" gibt es 4 Lurche.