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Sarang

Posted on 1.2.2020

Ihre Knöchel zittern. Sie hat gemeint, das Hübsche, Wohlbedachte abstreifen zu können und etwas übrig zu behalten, das sich instinktiv leicht anfühlte, aber sie ist die Freiheit im Tanz nicht mehr gewohnt. Ihre Ellbogen und Knie sind eckig. Alles wird auf der Spitze getanzt kleine Trippelschritte und Hüpfer, die Füße sind immerzu in Bewegung, unentwegt stoßen und stechen sie auf die Bühne. […] sie hat das Gefühl, sie mitzuschleppen. Sie stolpert und landet flach auf den Füßen, streckt die Arme aus, um ihr Gleichgewicht zu halten. […] Ihr wird schwindelig, aber sie fällt nicht. Die Coda muss noch getanzt werden. S. 316-317 »Inhalt« Joan Joyce tanzt. Leider nicht gut genug, um die Welt wirklich zu bewegen oder den Atem anhalten zu lassen. Dann bekommt sie ein Kind von ihrem Jugendfreund, der immer ein wenig in sie verknallt war und die beiden heiraten. Harry, ihr Sohn, ist ihr ganzer stolz und dass sie ihn ebenfalls zum Ballett führt, ist mehr Zufall als wirkliche Absicht. Damit hat Joan Fallstricke geschaffen, die sie alle irgendwann in der Zukunft einholen werden. Dabei wird sich ihrer aller Leben wie eine Bühne präsentieren und die Welt wird dabei zusehen, wie das Ballett Menschen in die Luft erhebt, aber auch zum Fallen bringt. »In jeder einzelnen Facette« „Dich tanzen zu sehen“ ist ein atemberaubendes Buch, das die verschiedensten Gefühlsfacetten beleuchtet und sich sowohl sprachlich als auch tänzerisch vor einem auffächert. Maggie Shipsteads Buch ist mehr als nur ein Buch über das Tanzen. Es vereint poetische Beschreibungen, wie das innere Leiden, die physischen Schmerzen durch das Tanzen nach außen getragen werden. Wie grazil der schmerzhafteste Sprung wirken kann und niemand sieht, wie viel Mühe den Tänzern teilweise abverlangt wird. „Dich tanzen zu sehen“ verdeutlicht, wie aus Leid und Qualen das Gefühl der Freude, der Euphorie, das Glück entspringen. Wie wackelig diese Gefühlskonstruktionen gleichzeitig sind, da sie meist flüchtige Momente andauern, um dann zusammenzufallen. Dann beginnen die Qualen von vorne, ein Kreislauf, den Maggie Shipstead mit ihrer Handlung meisterlich demonstriert. »In jedem einzelnem Detail« Maggie Shipstead springt in „Dich tanzen zu sehen“ zwischen den Jahren und Erzählperspektiven, so dass ich als Leserin einen wunderbaren Ausblick auf das Geschehen genießen konnte, der in einem atemberaubenden Spannungshöhepunkt gipfelt. Dieser Aufbau ist unglaublich klug und geschickt gewählt, weil er vage Andeutungen für die Zukunft gibt und wiederum Rückschlüsse für die Gegenwart zulässt und letztlich doch dazu führt, dass man beinahe meint, man könne den Kern des Ganzen begreifen, während er einem doch wieder entfleucht. Somit ähnelt der Aufbau von „Dich tanzen zu sehen“ tatsächlich der einer Choreographie. Jedes Detail scheint zu sitzen. Maggie Shipstead verbindet Liebe und Sehnsucht mit Schmerz und Trauer. Zeigt, wie Intrigen tatsächlich zu etwas Gutem führen können und wie alle Figuren letztlich nur danach bestrebt sind, ihr persönliches Glück zu finden. Am Ende sind alle Fäden so intensiv miteinander verworren, dass es einem Wunder gleicht, dass Maggie Shipstead sie so bravourös aufgelöst hat. »In jedem einzelnem Charakter« Über die Charaktere möchte ich nicht ins Detail gehen, weil das zu viel vorwegnimmt. „Dich tanzen zu sehen“ muss man von Anfang bis Ende genießen und sich ganz und gar in dieses zauberhafte Kopfkino fallen lassen. „Dich tanzen zu sehen“ hat mich von der ersten bis zur letzten Seite maßlos fasziniert. Nie wurde es mir langweilig. Maggie Shipstead hat erbarmungslos bewiesen, welch Genie in ihrem Werk steckt. »Mein Fazit« „Dich tanzen zu sehen“ von Maggie Shipstead ist mehr als ein Buch übers Tanzen. Es ist der Schauplatz einer Bühne. Der Bühne des Lebens, der ich mit angehaltenem Atem folgte und von der ich mich nicht mehr wegbewegen konnte. Maggie Shipstead vereinbart ihr farbenfrohes Erzähltalent mit den Details des Tanzens und findet dazwischen noch Platz für feine Nuancen, die alle berühren dürften.

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