Simone Scamander
Worum geht's? Jack und Mabel haben sich nichts sehnlicher als eine große Familie gewünscht. Kinderlachen im Garten, hektisches Getrappel kleiner Füßchen im Haus, das eigene Fleisch und Blut in den Armen... Aber ihre Träume sollten nicht in Erfüllung gehen. Das Leben hat dem Pärchen keine Kinder geschenkt. In der Hoffnung, ihre Trauer unter all dem Schnee vergraben und neu anfangen zu können, ziehen Mabel und Jack als Siedler nach Alaska. Dort zu überleben und sogar ein halbwegs geregeltes Leben führen zu können, bedeutet allerdings harte Arbeit. Als der erste Schnee auf ihre Farm fällt, wissen Mabel und Jack, dass ihnen ein schwerer Winter bevorsteht. Doch trotz ihrer schwierigen Situation und ihrer trübseligen Gefühle überkommt sie ein seltsamer Moment der Freude. Gemeinsam erbauen Jack und Mabel ein Schneemädchen, geben ihm sogar einen Schal und Fäustlinge. Am nächsten Morgen ist das Mädchen aus Schnee plötzlich verschwunden - und Mabel und Jack entdecken zwischen den Bäumen des Waldes ein flinkes Geschöpf, das kleine Fäustlinge und einen Schal trägt... Kaufgrund: Auf "Das Schneemädchen" bin ich durch das wundervolle Cover aufmerksam geworden. Mein Bauchgefühl hat mir sofort verraten, dass es sich bei diesem Roman um ein ganz besonderes Buch handelt - und es sollte Recht behalten... Meine Meinung: "Das Schneemädchen" ist eines jener Bücher, das einen wieder an die Magie des Lebens glauben lässt. Es erinnert einen daran, niemals aufzugeben, ganz egal, wie düster es aussehen mag. Irgendwo glimmt immer ein kleiner Funken Hoffnung; man muss nur den Mut finden, aus dem Funken ein loderndes Feuer des Glücks werden zu lassen. Eowyn Ivey erzählt in ihrem Debütroman nicht bloß eine Geschichte, die unterhalten soll. Sie vermittelt eine Botschaft, die jeder von uns in seinem Herzen tragen sollte: Das Leben hält Wunder für dich bereit - du musst bloß fest an sie glauben. Die Handlung ist in drei große Abschnitte unterteilt, von denen jeder mit einen zauberhaften Ausschnitt aus einer anderen Version des "Schneemädchen"-Märchens beginnt. Auf diese Weise erhält man als Leser eine gewisse Ahnung, in welche Richtung sich die Geschichte wohl entwickeln wird. Wirklich wissen tut man es allerdings nie, denn Eowyn Ivey hält sich nur sehr grob an die märchenhafte Vorlage ihres Romans. Im Grunde ist es aber auch völlig egal, ob man weiß, wie es weitergeht, denn "Das Schneemädchen" lebt im Gegensatz zu anderen Büchern nicht von einer mitreißenden Spannung, sondern von seiner gefühlvollen Atmosphäre, die die Leser begeistert und sie an die Seiten fesselt. In diesem Buch werden die eigenen Gefühle mächtig beansprucht. Man erlebt tiefgründige Glücksmomente und darf an einigen Stellen herzhaft lachen, muss aber auch oftmals ein paar Tränchen vergießen und mit den Figuren trauern. In nicht einmal 500 Seiten lässt "Das Schneemädchen" seine Leser alles fühlen, was das facettenreiche Leben zu bieten hat. In ihrem Debüt erzählt die Autorin von einem Pärchen, das mit einem schweren Schicksal zu kämpfen hat: Jack und Mabel haben sich immer eine große Familie gewünscht, doch dieser Traum blieb ihnen verwehrt. Mabel wurde nur ein einziges Mal schwanger und brauchte schließlich eine Totgeburt zur Welt, die das verzweifelte Pärchen gänzlich entzweite. Um für sich zu sein, wieder zueinander zu finden und ihre Trauer gemeinsam zu überwinden, beginnen Jack und Mabel ein neues Leben in Alaska. Schon bald müssen sie sich jedoch der harten Tatsache stellen, dass es wohl nicht die beste Idee war, kurzerhand auszuwandern. Das Leben in Alaska ist eine Herausforderung und ohne ihre neuen, lebensfrohen Nachbarn hätten sie ihren ersten Winter dort niemals überstanden. Es dauert einige Zeit, aber Alaska hält ein Wunder für Jack und Mabel bereit, das ihr Leben komplett verändern wird: Ein Mädchen, das scheinbar heimatlos in den Wäldern vor ihrer Hütte umherstreift. Ein Mädchen, scheu wie ein Reh, flink wie ein Fuchs und frei wie ein Vogel, das genauso aussieht wie das Schneemädchen, das Jack und Mabel während eines kurzen glückluchen Augenblicks aus dem ersten Schnees ihrer neuen Heimat formten. Ein Mädchen, das ihnen Hoffnung schenkt, ihre Herzen erwärmt und mehr und mehr zum Teil ihrer Familie wird. Im Verlauf der Geschichte vergehen viele Jahre, in denen Mabel und Jack sich stark verändern. Aus dem entzweiten Ehepaar, den einsamen Lebenspartnern wird eine Familie, die zusammenhält und füreinander da ist. Sie kamen mit nichts als Trauer nach Alaska und lernten erst wieder durch ein Kind, was Liebe und Freundschaft, Vertrauen und Glück bedeuten. Man kann beinahe am eigenen Leibe spüren, wie ihre tiefgefrorenen Herzen langsam, aber sicher auftauen. Doch nicht nur sie verändern sich durch die Begegnung mit dem seltsamen Mädchen, auch der Nachbarsjunge Garrett findet als junger Mann Interesse an ihr... Eowyn Iveys Schreibstil passt perfekt zu ihrer Geschichte, ist allerdings nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt hätte. Nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, hätte ich mit einer märchenhaften Sprache gerechnet, doch Ivey schreibt realistisch und detailgetreu. Sie beschreibt die Charaktere, die Handlung und die Umgebung mit solch einer Ausdrucksstärke und Wahrhaftigkeit, dass man sich als Leser alles haargenau vor dem inneren Auge vorstellen kann. Mit einer seltsamen, aber harmonierenden Mischung aus distanzierten Schilderungen und bewegenden Einblicken in die verschiedenen Figuren wird man innerhalb weniger Seiten in einen reißenden Lesefluss gesogen, der einen schon einmal die Zeit vergessen lässt. Ewoyn Ivey schafft mit ihren Worten eine ganz eigene Magie, die auch ohne märchenhafte Umschreibungen großartig zu einer sagenhaften Geschichte passt. Cover: Welchem Bücherwurm würde bei diesem märchenhaften Cover nicht das Herz vor Freude hüpfen! Es passt perfekt zu der Geschichte und ist zudem noch ein echtes Highlight im Regal. Ein kurzer Blick genügt und schon hat man das Bedürfnis, "Das Schneemädchen" in die Hand zu nehmen und darin einzutauchen. Fazit: "Das Schneemädchen" von Eowyn Ivey ist eines jener zauberhaften Bücher, das es verdient hat, in jedem Bücherregal zuhause zu sein. Es ist ein Buch über das Leben, seine Magie und seine Tücken. Über die Liebe und die Freundschaft, über die Trauer und den Tod, über die Hoffnung und die Lebenslust. Es ist ein facettenreiches Buch, das seine Leser tief in ihren Herzen berührt, sie zum Lachen und zum Weinen bringt; eine Geschichte, die man nicht mehr vergisst. Lest dieses Buch! Ich vergebe für "Das Schneemädchen" ganz besondere 5 Lurche.