Simone Scamander
Worum geht's? Tavias Leben liegt in Trümmern. Sie ist die einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes, bei dem auch ihre Eltern umgekommen sind. Notdürftig kommt sie bei ihrer Tante und ihrem Onkel unter. Dort soll sie sich erholen, ein neues Leben beginnen. Aber kann Tavia nach allem, was sie erleben musste, jemals wieder ein normales Leben führen? Ihre einzige Stütze ist ihr bester Freund Benson, mit dem sie sogar über die seltsamen Dinge sprechen kann, die plötzlich in Tavias Nähe geschehen: Sie sieht Zeichen, die sonst niemand sieht. Sie kann Gegenstände materialisieren - aus dem Nichts! Und sie wird von einem mysteriösen Blonden verfolgt, zu dem sie sich unweigerlich hingezogen fühlt. Zusammen mit Benson macht sich Tavia auf die Suche nach Antworten. Die ersten Hinweise findet sie in ihrer unmittelbaren Umgebung: Als Tavia ihre Tante bei einem Telefongespräch belauscht, zersplittert selbst der kümmerliche Trümmerhaufen, der von ihrem Leben noch übrig geblieben ist... Meine Meinung: "Der Kuss der Göttin" ist der Auftakt einer neuen Reihe aus der Feder von "Elfenkuss"-Autorin Aprilynne Pike. Diesmal erzählt sie die Geschichte von Tavia, einem Mädchen, das unter mysteriösen Umständen als Einzige einen Flugzeugabsturz überlebt. Seitdem hat ihr Leben viele merkwürdige Wendungen genommen. Als Tavia plötzlich Zeichen sieht, die außer ihr niemand sehen kann, beginnt sie auf eigene Faust nachzuforschen, was mit ihr geschieht. Dabei ahnt sie nicht, was für eine Entdeckung sie machen wird! Auch als Leser tappt man lange Zeit im Dunkeln. Pike weckt bereits nach wenigen Seiten die eigene Neugierde und schafft einen aufregenden Spannungsbogen, der sich über die gesamte Geschichte erstreckt. Man klebt förmlich an den Seiten,weil man um jeden Preis wissen möchte, wie es weitergeht und welche Geheimnisse im nächsten Kapitel auf einen warten. Die Voraussetzung, um in den vollen Genuss des Buches kommen zu können, ist jedoch, dass man den Klappentext und auch die Autorenvita vor dem Lesen gekonnt ignoriert hat. Hat man das nicht, wird der gemeine Spoiler den Lesespaß extrem schmälern. Das spannende Rätselraten um Tavias Geheimnis, das den Großteil des Romans ausmacht, wird dann durch mühselige und zähe Langeweile ersetzt. Spoiler-Opfer können sich die ersten 300 Seiten getrost sparen und eigentlich nur das Ende lesen, um später Anschluss an den zweiten Band zu finden. Dabei hat Aprilynne Pike ihre Geschichte so interessant aufgebaut! Meine Empfehlung: Hände weg vom Klappentext! Tavia ist eine Protagonistin, die einen sehr schnell zum Mitfiebern animiert, obwohl man sich nur schwer mit ihr identifizieren kann. In ihrem jungen Leben musste sie bereits viele Verluste und Schicksalsschläge erleiden. Ihre Psyche ist angeknackst und lässt sie so manchen wirren Gedanken denken, den man ohne ihre Erfahrungen nur schwer nachvollziehen kann. Besonders ihre schwankenden Gemütslagen gehören dazu. Nichtsdestotrotz - oder gerade deshalb! - ist Tavia eine Hauptfigur, die man gerne auf Entdeckungstour begleitet. Sie vollzieht eine enorme Entwicklung und macht sich mit ihrer wachsenden Persönlichkeit und ihren vielschichtigen Facetten mit jeder Seite interessanter und sympathischer. "Der Kuss der Göttin" beinhaltet wie die meisten Jugendbücher ebenfalls eine Dreiecksbeziehung. Wer aber nun schon genervt aufseufzen möchte, den kann ich beruhigen: Aprilynne Pike hat sich für ihre Liebesgeschichte, wie auch für den Rest ihres Auftakts, neue und interessante Aspekte überlegt, die sie deutlich von dem typischen Klischee abweichen lassen. Tavia verstrickt sich nicht in überspitzte Gefühlsduseleien. Sie weiß genau, was sie will. Doch auch sie muss feststellen, das Liebe viel mehr ist als Schmetterlinge im Bauch zu haben. Und das Schicksal hat es Liebenden noch nie leicht gemacht... Die Nebencharaktere sind Aprilynne Pike großartig gelungen. In "Der Kuss der Göttin" gibt es eine Vielzahl an Figuren, die in Tavias Leben treten, aber niemand von ihnen spielt nur eine Statistenrolle. Die Autorin hat jeden Charakter mit Liebe zum Detail geschaffen, sie mit tiefgreifenden Hintergrundgeschichten lebendig werden lassen und sie mit vielschichtigen Facetten ausgeschmückt. Was an ihnen jedoch am meisten überzeugt, ist ihr grandioses Maskenspiel. In diesem Roman gibt es keine 0815-Figuren, deren Bedeutung für den Handlungsverlauf schon bei der ersten Begegnung deutlich sind. Pike hat auch hier viele Überraschungen für ihre Leser parat und kann damit auf ganzer Linie überzeugen! Cover: Das Cover zählt nicht unbedingt zu meinen Lieblingen. Es strahlt zwar eine gewisse Atmosphäre aus, die durchaus zur Geschichte passt, und auch die Verzierungen sind gut gelungen, aber das Mädchengesicht ist vielen anderen Covergesichtern viel zu ähnlich und hebt sich dadurch leider nicht von der Masse ab. Fazit: "Der Kuss der Göttin", der Auftakt der neuen Reihe von Aprilynne Pike, erweckt nach den ersten Seiten schnell den Eindruck, stereotyp und vorhersehbar zu sein. Doch der Schein trügt! Die Autorin liefert in ihrem neuen Buch eine großartige und spannende Geschichte mit einer neuen Idee ab, die einen vollkommen zu fesseln weiß. Auch die Charaktere sind klug durchdacht und alles andere als durchschaubar. "Der Kuss der Göttin" steckt voller Überraschungen und hat mich absolut begeistert! Um diesen Auftakt aber tatsächlich genießen zu können, muss man um jeden Preis den fiesen Klappentext meiden. Wer ihn liest, kennt bereits das große Geheimnis um Tavia und kann sich fast die gesamte Geschichte sparen. Also her mit dem Buch, aber Hände weg vom Klappentext! Für "Der Kuss der Göttin" vergebe ich sehr gute 4 Lurche.