Simone Scamander
Worum geht's? Alina und Maljen ist die Flucht vor dem Dunklen gelungen. Jenseits der Wahren See bemühen sie sich, ein halbwegs normales Leben in den Schatten einer Stadt zu führen, in der sie niemand kennt. Aber die Gerüchte über den Dunklen, seine Macht und seine Pläne dringen selbst bis an die verstecktesten Winkel der Welt, weit entfernt von Rawka: Um seine Ziele erreichen zu können, braucht er Alina - und er wird sie bekommen, koste es, was es wolle. Alina und Maljen bleibt keine Zeit, um neue Fluchtpläne zu schmieden. Der Dunkle ist ihnen längst auf den Fersen... Meine Meinung: "Grischa - Eisige Wellen", der zweite Band aus Leigh Bardugos Feder um die magischen Grischa, setzt kurze Zeit nach den Geschehnissen des ersten Bandes ein und führt die Handlung ohne große Zwischenfälle fort. Charaktere und Leser bekommen nur sehr kurz die Gelegenheit, sich wieder aneinander zu gewöhnen und sich zurecht zu finden, denn die Autorin hat noch einiges mit ihnen vor! Schwierig ist es deshalb allerdings nicht, wieder in die Geschichte hineinzufinden. Leigh Bardugo gelingt es mit ihrem bildhaften Schreibstil auf Anhieb, ihre Leser in ihre Welt eintauchen zu lassen, sodass einem selbst die Ereignisse aus dem ersten Band der Trilogie wieder lebhaft im Gedächtnis herumschwirren. Der zweite Band der "Grischa"-Trilogie strotzt vor Ideenreichtum und Kreativität und kann mit einer ausgeklügelten und spannenden Handlung sogar seinen Vorgänger in den Schatten stellen. Bereits nach wenigen Kapiteln stehen Alina und Maljen vor der ersten katastrophalen Herausforderung, die die Spannung augenblicklich in die Höhe schießen lässt, wo sie auch bis zur letzten Seite bleiben will. Kaum ist die Handlung ins Rollen gebracht, kennt sie kein Halten mehr. Ein ereignisreiches Kapitel jagt das nächste und man erfährt immer mehr über Alina, den Dunklen, die Kräftemehrer und das Schicksal Rawkas. Im Mittelteil des Romans geht nach spannenden Kämpfen und aufregenden Enthüllungen schließlich etwas ruhiger zu, aber wer nun denkt, das es langweilig werden könnte, der irrt gewaltig! Leigh Bardugo nutzt die Ruhe vor dem Sturm, um mit neuen Facetten der Geschichte auf das große Finale der Trilogie hinzuarbeiten. Und was man auf den letzten Seiten zu lesen bekommt, setzt die Erwartungen extrem hoch! In "Eisige Wellen" hat man endlich einmal das Gefühl, keinen Lückenfüller in der Hand zu halten, den die Autorin sich nur aus den Fingern gesogen hat, um aus ihrer Geschichte eine Trilogie machen zu können. Gemeinsam mit Alina entdeckt man neue Teile der faszinierenden und magischen Welt, die mit ihrem russischen Touch und ihren eigenen Sagen für eine märchenhafte Atmosphäre sorgt. Die neuen Orte verleihen der Welt, in der die Grischa leben, eine neue Tiefe und eine weitere Art der Magie, die es unmöglich macht, sich nicht in die fremde und zugleich so sagenhafte Landschaft um Rawka zu verlieben. Die neuen Orte bringen auch eine Menge neuer Charaktere mit sich, einer interessanter als der andere. Besonders der Freibeuter Sturmhond und die kämpferischen Shu-Han-Zwillinge Tamar und Tolja sind Figuren, an denen man sich einfach nicht satt lesen kann. Jeder von ihnen hat eine einzigartige und komplexe Persönlichkeit, die es gar nicht so einfach macht, sie zu durchschauen. Besonders Sturmhond, der sich gerne unter unterschiedlichen Masken versteckt und von jetzt auf gleich in andere Rollen schlüpft, erweckt bis zum Schluss den Eindruck, dass er noch für jede Menge Überraschungen sorgen wird. Protagonistin Alina hat im ersten Band durch ihre Unsicherheiten lange Zeit einen eher unbeholfenen Eindruck hinterlassen, bis sie sich langsam zu einer mutigen Kriegerin entwickelt hat. Im zweiten Teil steht der Grischa allerdings noch ein viel größerer Charakterwandel bevor. Als mächtige Sonnenkriegerin wird sie von den Bewohnern Rawkas als Heilige verehrt, die die Schattenflur wieder zurückdrängen und die Menschen retten soll. Die extreme Veränderung von der unscheinbaren Kartografin zur Hoffnungsträgerin, die den mächtigsten Kräftemehrer besitzt, lastet schwer auf Alina und lässt sie so manche Entscheidung treffen, die sie im Nachhinein bereuen muss. Alina wird viel selbstbewusster und stärker, was sie einerseits zwar sympathischer macht, aber andererseits verliert sie durch ihre neue Macht ein Stück ihrer eigenen Persönlichkeit. Sie ist definitiv ein vielschichtiger Charakter, der mit seinen Höhen und Tiefen zu begeistern weiß. Alina und Maljen sind ein sympathisches Pärchen, das man gerne auf ihren Reisen begleitet. Mit ihren witzigen Schlagabtäuschen und ihren authentischen Gefühlen für einander, können sie die Herzen ihrer Leser im Sturm erobern. In "Eisige Wellen" müssen sich die Zwei jedoch auch den ersten großen Beziehungsproblemen stellen. Mit Alinas neuer Stand in der Gesellschaft und ihre Bedeutung für ganz Rawka müssen sie erst umgehen lernen, doch das ist gar nicht so leicht! In ein Beziehungsdrama voller aufgesetzter Gefühlsduseleien endet dies aber nicht. Leigh Bardugo stellt die Liebe ihrer Protagonisten vor realistische Herausforderungen, die nachvollziehbare Auswirkungen auf Alina und Maljen haben. "Grischa - Eisige Wellen" ist mit tollen Extras ausgestattet, die einen noch tiefer in die fremde Welt der Grischas abtauchen lassen. Gleich auf den ersten Seiten findet sich eine traumhafte Karte von Leigh Bardugos Welt mitsamt einer Auflistung der verschiedenen Grischa-Orden, die einem nicht nur den Wiedereinstieg erleichtern, sondern das Buch zu einem wahren Augenschmaus werden lassen. Einzelne kleine Illustrationen zu den Kapitelanfängen unterstreichen dies zusätzlich. Wem es dennoch schwerfällt, wieder in die Geschichte hineinzufinden, der findet darüber hinaus auf den letzten Seiten ein ausführliches Glossar, das die verschiedenen Ausdrücke, die Grischas, die handelnden Charaktere und die Schauplätze näher vorstellt. Cover: Mit der wunderschönen Illustration und den zauberhaften Verzierungen haben die Grafiker mal wieder alles richtig gemacht. Die Cover der "Grischa"-Trilogie sind einfach nur perfekt! Fazit: Leigh Bardugo ist eine Wortkünstlerin, die im zweiten Teil ihrer "Grischa"-Trilogie ihre Welt so faszinierend verfeinert, dass man gar nicht mehr aus dem Buch auftauchen will. "Eisige Wellen" ist eine gelungene Fortsetzung, die ihren Vorgänger in jeglicher Hinsicht in den Schatten stellen kann. Sowohl die Charaktere als auch die Handlung erhalten neue Facetten, die sie vielschichtiger, interessanter und magischer werden lassen. Es sind aber vor allem die völlig neuen Elemente der "Grischa"-Trilogie, die diesen Band so besonders machen. Die fremden Orte und die neuen Charaktere machen "Eisige Wellen" zu einem tollen Pageturner, der sich so gar nicht nach Lückenfüller anfühlt, sondern nach einer mitreißenden Vorbereitung auf das große Finale! Für "Grischa - Eisige Wellen" vergebe ich 5 Lurche.