Simone Scamander
Worum geht's? Emmas Mutter kommt bei einem Autounfall ums Leben. Für Emma bricht eine Welt zusammen, denn sie konnte sich weder von ihrer Mutter verabschieden noch hat sie eine Familie, die sich nun um sie kümmern könnte. Erst als sie wenige Tage später einen mysteriösen Brief erhält, dem ein schauriges Foto und die Einladung zu einem Jugendcamp beiliegen, beginnt Emma wieder zu leben. Denn der Brief enthält eine Nachricht, der sie um jeden Preis nachkommen muss: „Wenn du wissen willst, wer die Mörder deiner Mutter sind, dann meldest du dich an. Am besten heute noch.“ Meine Meinung: „Stigmata – Nichts bleibt verborgen“ ist ein neuer Mystery-Thriller der Autorin Beatrix Gurian aus dem Hause Arena, der sich vor allem an junge Thriller-Fans ab etwa 14 Jahren richtet. Obwohl der Roman mit einem sehr mysteriösen Prolog beginnt, der die eigene Neugierde weckt, fiel mir der Einstieg in „Stigmata“ alles andere als leicht. Zu Beginn überschlagen sich die seltsamen Ereignisse und man weiß gar nicht recht, wie man die Geschehnisse um Emma und den Tod ihrer Mutter nun einordnen soll. Rätselhafte Briefe, schaurige Fotos und eine Einladung zu einem mehr als unheimlichen Jugendcamp, in welchem Emma die Mörder ihrer Mutter finden soll, werfen eine Menge Fragen auf, die man zunächst einmal für sich selbst ordnen muss. Hat man sich in der Geschichte erst einmal zurechtgefunden, möchte man sie gar nicht mehr beiseitelegen. Man klebt förmlich an den Seiten von „Stigmata“, möchte man doch um jeden Preis erfahren, wie es mit Emma weitergeht. Was für ein Spiel wird in dem seltsamen Jugendcamp wirklich gespielt? Wer sagt die Wahrheit und wer genießt es, die Nerven der anderen zu terrorisieren? Beatrix Gurian hat die verschiedenen Puzzle-Teile, die zur Auflösung der Geschichte gekonnt versteckt, sodass sich die Spannung bis zum Schluss stetig steigert. Trotz aller Hinweise war „Stigmata“ niemals vorhersehbar, denn die Autorin hat immer dann eine überraschende Wendung in die Handlung gebracht, wenn man sich für einen kurzen Moment sicher war, die Wahrheit zu kennen. Protagonistin Emma war mir ab dem ersten Moment sympathisch. Sie ist ein mutiges Mädchen mit einem starken Herzen, das in bedrückenden Momenten durchaus auch ein wenig schwächelt und damit Authentizität beweist. Alle anderen Charaktere in „Stigmata“ bleiben dagegen eher distanziert – was jedoch nicht daran liegt, dass man sie nicht mag! Vielmehr erlaubt man sich selbst nicht, sie sympathisch zu finden. Schon früh zeigt sich, dass Emma und die anderen Jugendlichen nicht willkürlich zueinander gefunden und auch die Erwachsenen Geheimnisse zu verbergen haben. Wem kann Emma trauen? Kaum glaubt man einen Charakter durchschaut zu haben, wirft er oder sie neue Fragen auf, die einen stutzig werden lassen. Jeder von ihnen übt zweifelsohne eine ganz eigene Faszination auf einen als Leser aus, die einen erheblichen Teil zur Spannung des Romans beiträgt. Die Geschichte von „Stigmata“ wird durch drei Ebenen erzählt. Auf textlicher Ebene lässt die Autorin die Geschehnisse vor allem von Protagonistin Emma persönlich erzählen. Hin und wieder lässt Beatrix Gurian allerdings auch Kapitel einfließen, in denen ein außenstehender Erzähler von längst vergangenen Ereignissen eines jungen Mädchens berichtet, das in einer Art christlichem Heim aufwächst und dort so manche grauenhafte Tat über sich ergehen lassen muss. Wie und auf welche Weise die beiden Handlungsstränge miteinander verknüpft sind, offenbart sich nur dem Leser nur zaghaft, dafür aber mit einer beeindruckenden Intensität. Die dritte Ebene bringt eine ganz besondere Stimmung in „Stigmata“. Neben dem reinen Text finden sich zwischen den Buchdeckeln insgesamt vierzehn schaurige Fotografien, die Erol Gurian, der Ehemann der Autorin, geschossen hat. Die Fotos allein sorgen bereits für eine gruselige Atmosphäre, doch kombiniert mit der Geschichte sorgen sie für wahren Nervenkitzel. Beatrix Gurian webt die einzelnen Schauer-Fotografien geschickt und bedeutungsvoll in ihre Handlung ein, sodass eine mysteriöse und einzigartige Stimmung entsteht, die die Leser faszinieren und in ihren Bann ziehen kann. Dass Religion in einem Roman, der sich „Stigmata“ nennt, ein wichtiges und entscheidendes Thema ist, wird wohl niemanden überraschen. Dass sie sich trotz ihrer Bedeutung für die Geschichte niemals in den Vordergrund drängt oder zu einem schwierigen Dreh- und Angelpunkt wird, überraschte mich umso mehr. Obwohl Beatrix Gurian durchaus kritisch mit dem Thema umgeht und so manche schockierende Tatsache aus christlichen Heimen anspricht, liest man zwischen den Zeilen niemals einen erhobenen Zeigefinger heraus. Die Autorin betrachtet Religion skeptisch und vorsichtig, zeigt sowohl positive als auch negative Seite auf, erlaubt sich jedoch niemals ein Urteil. Diese ausgeglichene Balance hat mir ausgesprochen gut gefallen. Cover: Eine schaurige Fotografie, umrahmt von zauberhaften Verzierungen: Das Cover von „Stigmata“ sieht einfach klasse aus und fällt einem sofort auf! Besonders gut gefällt mir das dunkle, düstere Grün des Covers. Eigentlich ist Grün doch die Farbe der Hoffnung, aber dieses hier schreit geradezu nach grausigen Geheimnissen, die um jeden Preis gelüftet werden wollen. Fazit: „Stigmata – Nichts bleibt verborgen“ von Beatrix Gurian ist ein spannungsgeladener Jugendthriller, der seine Leser nach kurzen Startschwierigkeiten voll und ganz in seinen Bann ziehen kann. Emmas Suche nach der Wahrheit – nach den Mördern ihrer Mutter – ist eine gut durchdachte und komplexe Geschichte voller Nervenkitzel und Gänsehaut-Atmosphäre. Neben den zwielichtigen Charakteren und den grausamen Wahrheiten, die zwischen den Buchdeckeln verborgen liegen, sorgen vor allem die schaurigen Grusel-Fotos für ein ganz besonderes Leseerlebnis! „Stigmata“ geht unter die Haut und ist sicher nichts für schwache Nerven, die kein Blut lesen können. Für „Stigmata – Nichts bleibt verborgen“ vergebe ich sehr gute 4 Lurche.