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Simone Scamander

Posted on 31.1.2020

Worum geht's? Sieben Mädchen und zwei Todesfälle: Als die Schuldirektorin des Mädcheninternats Saint Etheldreda und ihr Bruder beim Sonntagsessen plötzlich tot von ihren Stühlen fallen, bricht für die Schülerinnen eine Welt zusammen. Allerdings nicht, weil sie um die fiese Mrs Plackett und ihren schmierigen Bruder Mr Godding trauern, sondern weil der Tod der Direktorin unweigerlich die Schließung des Internats mit sich bringt. Keines der Mädchen will zurück nach Hause und sich von den anderen trennen! Kurzerhand schließen Kitty Schlau, Louise Pockennarbig, Mary Jane Ungeniert, Martha Einfältig, Alice Robust, Roberta Liebenswert und Elinor Düster den Entschluss, die Toten im Garten zu vergraben und die Geschehnisse zu vertuschen. Doch was, wenn jemand nach der Schulleiterin verlangt? Für die Mädchen beginnt ein verrücktes Lügenspiel, mit dem sie sich alle in große Gefahr bringen. Denn Mrs Plackett und ihr Bruder sind keines natürlichen Todes gestorben… Meine Meinung: Bevor die eigentliche Geschichte beginnt, stellt einem ein Personenregister erst einmal die einzelnen Figuren vor, denen man in „Lasst uns schweigen wie ein Grab“ begegnen wird – oder eben auch nicht. Während die Schülerinnen des Mädchenpensionats Saint Etheldreda nur kurz in einer Namensliste Erwähnung finden, lernt man durch kurze, aber sehr aussagekräftige Personenvorstellungen der Verwandten und Bekannten der jungen Damen die einzelnen Hintergründe kennen. Auf diese Weise erfährt man nicht nur, woher die Mädchen stammen und wie sie in das Mädcheninternat gekommen sind, sondern auch, wodurch sie sich ihre Beinamen verdient haben. Eine Vorstellungsrunde der etwas anderen Art, die einem direkt Lust macht, weiterzulesen und die jungen Schülerinnen persönlich kennenzulernen. Die Geschichte beginnt genau an dem Punkt, der das Leben der sieben Mädchen grundlegend auf den Kopf stellt: Mitten beim Sonntagsessen fallen Mrs Plackett und Mr Godding tot von ihren Stühlen – und plötzlich stehen die Schülerinnen vor einem riesigen Dilemma. Trotz der grausigen Ereignisse entsteht jedoch keine düstere oder gar traurige Stimmung, denn Julie Berry erzählt ihren Roman mit jeder Menge Witz und schwarzem Humor. Ein abstruses Ereignis jagt das nächste und verstrickt die Mädchen immer tiefer ein Lügennetz, aus dem es kein Entkommen mehr zu geben scheint. Auch für einen selbst als Leser gibt es kein Entkommen: Man möchte unbedingt wissen, wie es mit den Mädchen weitergeht, wer der Mörder ist und was für Beweggründe ihn zu seiner Tat verleitet haben, und legt „Lasst uns schweigen wie ein Grab“ kaum aus der Hand. Bei sieben Protagonistinnen für eine Geschichte mit gerade einmal 300 Seiten bleibt es leider nicht aus, dass so manche von ihnen nicht die Aufmerksamkeit erhält, die sie womöglich verdient hätte. Kitty Schlau und Louise Pockennarbig, die beiden klügsten der Schülerinnen, rücken mit ihren skurrilen Ideen und ihrem Handlungs- und Recherchedrang schnell in den Vordergrund der Geschichte, während die anderen Mädchen eher ihre ihnen zugeteilten Rollen spielen und ihren Beinamen alle Ehre machen. Besonders über Elinor Düster, die mit ihrer äußerst seltsamen Art Interesse weckt, hätte ich gerne mehr erfahren. Obwohl vor allem Roberta Liebenswert und Elinor Düster oft nur am Rande des Geschehens erwähnt werden, ist jedes der Mädchen wichtig für die Geschichte und nicht wegzudenken. Die Schülerinnen sind eine eingeschworene Gemeinschaft, eine Schwesternschaft, die eine tiefe Freundschaft miteinander verbindet – aller Differenzen und Unterschiedlichkeiten zum Trotz! Sie gehen so ehrlich und herzlich miteinander um, dass man als Leser gar nicht kann, als sie allesamt als liebenswertes Gesamtpaket in sein Herz zu schließen. Sie zeigen, wie wichtig und schön es ist, sich auf seine Freunde verlassen zu können und zusammenzuhalten, und dass nicht einmal die dunkelsten Zeiten ihre Freundschaft gefährden kann. Eine tolle Moral, die einen über die Seiten hinweg immer wieder zum Strahlen bringt. Zum Strahlen bringt auch Julie Berrys toller Schreibstil, der einen stets mit einem Schmunzeln durch die Seiten rasen lässt. Sie erzählt die Geschichte mit viel Liebe zum Detail, ohne dabei jemals zu ausschweifend zu werden. Berry zaubert eine ganz besondere Atmosphäre hervor, die einen in das kleine englische Städtchen Ely im Jahre 1890 zurückversetzt – und am liebsten möchte man von dort gar nicht mehr so schnell verschwinden, aller schaurigen Ereignisse zum Trotz! Man darf sich voll und ganz in diese seltsam herzerwärmende Geschichte fallen lassen, sofern man sich denn von dem kindlichen schwarzen Humor nicht abschrecken lässt. „Lasst uns schweigen wie ein Grab“ ist mit der gelungenen Mischung aus Krimi und Komödie tolle und amüsante Lektüre für Lesestunden, in denen man einfach abschalten und sich unterhalten lassen will. Völlig vom Hocker gerissen hat mich die Geschichte allerdings nicht. Die Suche nach dem wahren Täter rückte in manchen Kapiteln zu sehr aus dem Fokus der Geschichte. Zu einem Lieblingsbuch schafft es „Lasst uns schweigen wie ein Grab“ deshalb zwar nicht, aber lesenswert ist diese skandalöse Geschichte auf alle Fälle! Fazit: „Lasst uns schweigen wie ein Grab“ von Julie Berry ist eine herrliche schräge Geschichte über sieben Mädchen, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch unzertrennlich sind. Ihre Freundschaft bedeutet ihnen sogar so viel, dass sie den Mord an der Internatsleiterin vertuschen und diese kurzerhand im Garten vergraben. Dass die Angelegenheit damit leider nicht so leicht aus der Welt zu schaffen ist, wie es sich die Mädchen wünschen würden, liegt auf der Hand – und so nimmt eine skurrile und seltsame Krimi-Komödie ihren Lauf, die es für mich zwar nicht zum Lieblingsbuch geschafft hat, mir aber einige tolle Lesestunden beschert hat. Julie Berry erzählt ihre morbide Geschichte mit einer kindgerechten Portion schwarzen Humors und überzeugt mit liebenswerten Charakteren und einer schaurig-schönen Atmosphäre. Dieses Buch hat es sicherlich nicht verdient, im Garten vergraben zu werden! Für „Lasst uns schweigen wie ein Grab“ vergebe ich 4 Lurche.

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