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Simone Scamander

Posted on 31.1.2020

Worum geht's? Das neue Jahrhundert hat begonnen! Frohen Mutes blickt die junge Forscherin Calpurnia Virginia Tate in eine selbstbestimme Zukunft. Doch sie hat die Rechnung ohne ihre Mutter gemacht. Obwohl Calpurnia mehr als einmal ihr kluges Köpfchen unter Beweis stellt, hält ihre Mutter die Interessen ihrer Tochter bloß für kindische Spielereien. Als eine Katastrophe über Texas hereinbricht, bekommt Calpurnia in vollem Maße zu spüren, wie wenig sie als Mädchen in der Gesellschaft wert ist. Aber davon lässt sich die junge Wissenschaftlerin nicht aufhalten. Zusammen mit ihrem tierlieben Bruder Travis studiert sie die freilebenden Geschöpfe in der Natur. Während Callie die Tiere als Forschungsobjekte betrachtet, sieht Travis in jedem ein potenzielles neues Haustier. Wie sollen sie ihrer Mutter bloß erklären, was das Gürteltier im Stall zu suchen hat? Meine Meinung: Texas, 1900: "Calpurnias faszinierende Forschungen", das zweite Buch von Jacqueline Kelly um die junge Entdeckerin Calpurnia Virginia Tate, knüpft beinahe nahtlos an seinen Vorgänger an und hat mich gleich nach den ersten Seiten wieder in endlose Begeisterung versetzt: Ein Wiedersehen mit Callie! Meine Freude kann ich kaum in Worte fassen, denn mit einer Fortsetzung habe ich schon lange nicht mehr gerechnet. Im Original liegen ganze 6 Jahre zwischen den beiden Büchern. Die lange Pause merkt man ihnen aber glücklicherweise gar nicht an: Sobald man "Calpurnias faszinierende Forschungen" aufschlägt, ist man augenblicklich wieder in Texas, bei Callie und ihrer Familie, und auf wundersame Weise überkommt einen der Drang, mit der jungen Entdeckerin in die Natur zu stürmen. Mit der Jahrhundertwende ist ein neues Zeitalter angebrochen. Ein Zeitalter voller Veränderungen und Möglichkeiten, auch für sie selbst - das spürt Callie ganz genau. Schnell muss se sich allerdings eingestehen, dass sie ihre Träume zu hoch gesteckt hat, und ihre Hoffnung beginnt zu schwinden. Nach ihrem zwölften Geburtstag und der großen Katastrophe, die sich im Buch rasch ankündigt, legt ihre Mutter mehr denn je großen Wert darauf, aus ihrer Tochter eine vorzeigbare junge Dame zu machen. Natürlich lässt sich Calpurnia davon nicht unterkriegen und geht weiterhin ihren Forschungen nach, aber die Tatsache, dass Callie als erwachsene Frau niemals die gleichen Chancen genießen können wird wie ihre Brüder, schwebt wie eine dunkle Wolke über dem gesamten Roman. Die Atmosphäre als solche ist in "Calpurnias faszinierende Forschungen" sehr viel (be)drückender als noch im ersten Band. Ein Unglück fordert viele Opfer, Calpurnia muss den Tatsachen ins Auge blicken und zusammen mit ihrem Bruder Travis um viele Abschiede trauern. Da ich Calpurnia so stark ins Herz geschlossen habe wie kaum eine andere Romanfigur, litt ich in jedem schmerzhaften Moment derart intensiv mit ihr mit, dass mir selbst zum Weinen zumute war - manchmal sogar noch mehr als Calpurnia. Während Callie als leidenschaftliche Wissenschaftlerin in entscheidenden Momenten stets einen kühlen Kopf bewahrt, musste ich regelmäßig um Fassung ringen. Nicht ganz unschuldig daran war Callies Bruder Travis, den ich mit seiner unerschütterlichen Tierliebe sofort liebgewonnen habe und sehr gut verstehen konnte. Calpurnia und Travis verbringen in diesem Band unheimlich viel Zeit miteinander. Da beide auf meinem Treppchen der "Besten Buch-Charaktere aller Zeiten" ganz weit oben stehen, konnte ich mit diesem Fakt nur allzu gut leben. Nicht ganz so zufrieden war ich jedoch mit der Konsequenz, dass dem unvergleichlichen Großvater-Enkelin-Duo dadurch weniger gemeinsame Forschungsstunden zustanden. Calpurnia und ihr Großvater haben mich in "Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen" so von den Socken gehauen, dass ich diesmal unweigerlich Sehnsucht nach dem gutmütigen Forscher hatte, die selbst der liebenswürdige Travis nicht wettmachen konnte. Jacqueline Kelly hat ein ganz besonderes Händchen für ihre Charaktere, wodurch man als Leser mit dem (Luxus-)Problem konfrontiert wird, mit jedem von ihnen viel mehr Zeit verbringen zu wollen, als es im Rahmen der Geschichte möglich wäre. Aber wer weiß: Vielleicht überlegt sich die Autorin in ein paar Jahren ja doch, noch eine weitere Geschichte um Calpurnia zu schreiben? So düster und drückend "Calpurnias faszinierende Forschungen" auch sein mag, es ist nichtsdestotrotz eine vor Mut und Hoffnung strotzende Geschichte, die einen an das Unmögliche glauben lässt. Es ist eine authentische Erzählung vor einer großartig recherchierten Kulisse, durch die man Geschichte nicht einfach liest, sondern erlebt. Calpurnia ist eine unvergessliche Protagonistin, deren Weg mit Stock und Stein gepflastert ist. Doch statt daran zu verzweifeln und aufzugeben, nimmt Calpurnia die Dinge in die Hand und sieht ihre Hürden als Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Und wenn jemand das Zeug dazu hat, dann ist es Callie, wie sie leibt und lebt! Fazit: Ganz egal, wie sehr ich mich auch darum bemühe: Meine Begeisterung für "Calpurnias faszinierende Forschungen" von Jacqueline Kelly lässt sich schlichtweg nicht in Worte fassen. Wie freudig war das Wiedersehen, als ich von der Fortsetzung zu Calpurnias erster Forschungsgeschichte überrascht wurde! Doch die Freude wird schnell getrübt, denn das neue Jahrhundert bringt nicht Möglichkeiten, die sich Calpurnia erhofft hatte. Es wird bedrückender und ernster in "Calpurnias faszinierende Forschungen", aber davon lässt sich die junge Forscherin natürlich nicht einschüchtern. Calpurnia geht ihren Weg - mutig, authentisch und ehrlich - und ist und bleibt die Protagonistin, von der sich jeder Leser eine große Scheibe abschneiden sollte. Unbedingt lesen - und zwar sofort! Für "Calpurnias faszinierende Forschungen" vergebe ich 5 Lurche.

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