Simone Scamander
Worum geht's? Rose Howard liebt Homonyme und Primzahlen. Sie ist unheimlich stolz darauf, dass ihr eigener Name ein Homonym ist, und hat auch ihrer Hündin ein ganz besonderes Homonym als Namen gegeben: Rain. Rain ist ihr ein und alles, ihr Lichtblick in der Welt, in der sie kaum jemand zu verstehen scheint. Doch dann zieht ein tobender Sturm über das Land – und Rain verschwindet. Rose muss Rain um jeden Preis wiederfinden! Auch wenn es bedeutet, dass sie alles hinter sich lassen muss, was ihr jemals Sicherheit gegeben hat: ihr Zuhause, ihre Abläufe, ihre Regeln. Meine Meinung: Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr mich „Rain Reign“ berührt und aufgewühlt hat. Schon allein beim Tippen dieser Worte kommen wieder so viele Gefühle hoch, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Bei der liebenswürdigen Protagonistin Rose, die mein Herz in Windeseile erobert hat? Bei der schmerzhaften und doch bewegenden Realität, die Autismus für Betroffene, Angehörige und Außenstehende mit sich bringt? Bei den herzzerreißend ehrlichen Emotionen, die dieses Buch in mir ausgelöst hat? „Rain Reign“ ist eine unbeschreibliche, starke, ganz besondere Geschichte, zu der ich eigentlich nur zwei Worte sagen kann: Lest es! „Rain Reign“ von Ann M. Martin ist ein besonderes Buch – und das auf so vielen Ebenen. Die erste Besonderheit entdeckt man sogleich, wenn man mit dem Lesen beginnt: den Erzählstil. „Rain Reign“ ist die Geschichte von Rose Howard und dass sie daher diejenige ist, die die Geschichte auch erzählt, ist keinesfalls verwunderlich. Das Buch ist allerdings ein bisschen wie eine Art Schulaufsatz aufgebaut, den Rose ganz bewusst für einen Leser aufgeschrieben hat. Sie folgt akkurat den Regeln einer Geschichte, stellt sich zunächst als Protagonistin vor, beschreibt dem Leser dann, auf welche Nebenfiguren man noch treffen wird, und schildert alle wichtigen Hintergrundinformationen, damit man der eigentlichen Geschichte gut folgen kann. Sie nimmt hin und wieder Bezug auf andere Kapitel und macht wahrlich kein Geheimnis daraus, dass sie sie mit Absicht genauso geschrieben hat, wie der Leser sie nun in seinen Händen hält. Die zweite Besonderheit ist Rose Howard selbst. Sie ist ein außergewöhnliches Mädchen, das sich für außergewöhnliche Dinge interessiert. Ihre große Leidenschaft sind Homonyme: Worte mit gleichem Klang, aber unterschiedlichen Schreibweisen und Bedeutungen. Deshalb ist Rose unheimlich stolz, dass ihr eigener Name ein solches Homonym ist (Rose – Rows). Auch den Name ihrer Hündin Rain (Rain – Reign – Rein) hat Rose sehr bewusst gewählt. Außerdem mag Rose Primzahlen und legt großen Wert auf Regeln und feste Abläufe. Konversationen dagegen fallen ihr schwer und Unstimmigkeiten oder Menschenmassen lassen sie leicht in Panik geraten. Denn Rose ist Autistin. Sie hat das Asperger-Syndrom. Ehrlich gesagt habe ich weder persönliche Erfahrung im Umgang mit Autisten noch habe ich mich jemals besonders intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Ob und wie richtig die Autorin das Asperger-Syndrom also anhand von Rose dargestellt hat, wage ich mich daher nicht zu beurteilen. Auf mich haben Rose Schilderungen, ihre wirren und doch so fokussierten Gedanken aber einen sehr ehrlichen, direkten und echten Eindruck hinterlassen. Ihre Gefühle haben mich mit Haut und Haar an die Seiten gefesselt, fasziniert und tief berührt. Ann M. Martin hat in meinen Augen eine ganz besondere Leistung erbracht, indem sie „Rain Reign“ durch Rose‘ Augen erzählt hat. Jedes Kapitel, jedes Wort hat sich so authentisch und lebendig angefühlt, dass es mir regelrecht unter die Haut gegangen ist – pures Gänsehaut-Feeling bis zum Schluss! Rose ist sich durchaus bewusst, dass sie anders ist als die anderen Kinder. Sie teilen ihr Interesse an Homonymen und Primzahlen nicht, brechen Regeln. Selbst ihr eigener Vater ist mit Rose überfordert, kann sich eine Therapie für sie aber nicht leisten. Ann M. Martin lässt Rose mit einer schonungslosen Ehrlichkeit erzählen, wie sich die anderen Menschen ihr gegenüber verhalten. Es hat mich sprachlos gemacht. Wie oft habe ich mich dabei ertappt, die Wut, die Angst, die Sorge um Rose so intensiv in mir aufkochen zu spüren, dass ich am liebsten in die Geschichte hineingesprungen wäre! Aber Rose ist mit ihrer Einzigartigkeit nicht ganz allein. Sowohl ihre Hündin Rain als auch ihr Onkel lieben sie von ganzem Herzen und lassen sie spüren, dass sie verstanden und akzeptiert wird. So, wie sie ist. Mit dem Sturm und dem Verschwinden von Rains schlägt die Geschichte eine neue Richtung ein. Rose steht plötzlich vor ungeahnten Herausforderungen. Schon viel kleinere Probleme trieben Rose an ihre Grenzen, doch diesmal ist ihr mehr als deutlich bewusst, was auf dem Spiel steht: Rain. Rose wächst über sich hinaus, um ihre geliebte Hündin wiederzufinden. Sie geht die Sache auf ihre Weise an und hat mich damit zu Tränen gerührt. Kaum ein Buch hat es jemals geschafft, mich zum Weinen zu bringen, aber bei „Rain Reign“ habe ich fast über die gesamte zweite Hälfte des dünnen Büchleins geschluchzt. Die Geschichte schlug für mich ungeahnte und zu tiefst berührende Wendungen ein, sowohl im hoffnungsvollen als auch im betrüblichen Sinne, ohne jemals an Authentizität oder Gefühl einzubüßen. Ohne Frage: „Rain Reign“ ist ein Herzensbuch, das ich niemals mehr hergeben werde. Fazit: Ohne Worte: „Rain Reign“ ist wie ein Orkan durch mein Herz gestürmt und hat jegliche Emotionen in mir aufgewühlt. Unter den so ruhigen und sachlichen Schilderungen von Protagonistin Rose, die unter dem Asperger-Syndrom leidet und die Welt auf ihre eigene Weise wahrnimmt, tobt eine gefühlvolle und mitreißende Geschichte, die mich sprachlos gemacht und zu Tränen gerührt hat. Ein Roman zum Lieben, Lachen und Tränenvergießen. „Rain Reign“ ist definitiv ein Buch, das ich niemals vergessen werde. Ich vergebe 5 Lurche.