auserlesenes
Porto Alegre im Jahr 2014: Andrei Dukelsky wird bei einem Raubüberfall mit nur 36 Jahren getötet. Als großes Talent der zeitgenössischen brasilianischen Literatur ist Duke bekannt und bei vielen beliebt. Sein Tod führt seine früheren Freunde nach mehreren Jahren wieder zusammen: die 33-jährige Stipendiatin Aurora, den 42-jährigen freiberuflichen Journalisten Emiliano und Antero Latvala, Mitte 30, verheirateter Familienvater und Firmenchef. Ende der 1990er-Jahre waren die drei Männer und die Frau ein untrennbares Team, schrieben zusammen für ein Fanzine und galten als die Vertreter einer neuen Gegenkultur. Nun kommen die drei verbliebenen Freunde ins Grübeln: Wie war das früher? Was ist aus ihnen geworden? Und: Wer war dieser Duke wirklich? „So enden wir“ von Daniel Galera ist ein moderner Roman über die Tiefen der menschlichen Seele. Meine Meinung: Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der drei Hauptprotagonisten Aurora, Emiliano und Antero – abwechselnd und jeweils aus der Ich-Perspektive. Dieser Aufbau gefällt mir ganz gut, wobei gerade die Übergänge schwierig sind. Vermutlich spielt der Autor bewusst damit, den Leser länger im Unklaren zu lassen, welche Person gerade im Fokus steht. Sprachlich ist der Roman sehr interessant. Ungewöhnlich und hervorstechend ist der Schreibstil, der wegen der langen Sätze, die immer wieder eingestreut werden, zum Teil etwas sperrig und anstrengend ist. Der Autor scheut nicht davor zurück, Fremdwörter zu verwenden. Insgesamt ist die Sprache allerdings sehr klar, bisweilen schonungslos offen, derb oder sogar vulgär. Dabei zeigt sich eine Versessenheit in Details. Leider variiert der Erzählstil zwischen den Personen jedoch kaum, wodurch die Ich-Perspektive vor allem in den Aurora betreffenden Passagen nicht besonders authentisch wirkt. Zu keinem der drei Hauptprotagonisten konnte ich einen Zugang finden. Positiv anzumerken ist, dass es sich um Personen mit Ecken und Kanten handelt, die einen Einblick in menschliche Abgründe bieten und realitätsnah geschildert werden. Es sind Anti-Helden, die alles andere als sympathisch sind. Sie alle sind gescheitert, was ihre Wünsche und Ideale angeht. Jedoch fiel es mir schwer, ihr Denken und Handeln nachzuvollziehen, was mir am ehesten noch bei Aurora gelungen ist. Sie ist ebenso wie Emiliano und Antero in einer Endzeitstimmung, deren Gründe sich mir leider nicht ganz erschließen konnten. Die Handlung ist recht überschaubar. Immer wieder gibt es Rückblenden zu der Zeit um den Jahrtausendwechsel, die auf mich jedoch etwas unzusammenhängend wirkten. Das eher offene Ende gibt einen Hoffnungsschimmer. Gut gefallen haben mir die gesellschaftlichen Themen, die im Roman zum Ausdruck kommen. Dabei gibt es einige interessante Denkanstöße. Es wird recht deutlich, dass hier Krisen und Probleme angesprochen werden, die in Brasilien oder sogar weltweit relevant sind: Umweltverschmutzung, Überbevölkerung, die Schattenseiten des Internets, Armut, Korruption und sonstige Kriminalität. Sogar die berufliche Benachteiligung von Frauen wird thematisiert. Zu viel Raum nehmen dagegen die sexuellen Passagen ein. Selbst extreme Vorlieben und Praktiken werden unnötigerweise fast erschöpfend beschrieben. Das Cover entspricht mich zwar nicht meinem Geschmack, ist aber durchaus passend. Der Titel ist treffend gewählt. Mein Fazit: Der Roman „So enden wir“ von Daniel Galera ist eine gezielte Provokation, ein Buch, das aufrütteln und nachdenklich machen will. Während die Intention und die Ansätze mir sehr zugesagt haben, konnte mich die Umsetzung leider nicht überzeugen.