DasIgno
St. Petersburg, 1881. Der Zoologe Michail erhält den Schädel eines Wildpferdes. Er meint, darin ein Takhi, ein ausgestorben geglaubtes Urpferd, zu erkennen. Gemeinsam mit dem deutschen Abenteurer Wilhelm Wolff begibt er sich auf eine Expedition in die Mongolei. Mongolei, 1992. Tierärztin Karin und ihr Sohn Matthias bauen Forschungsstation auf. Karins Lebensaufgabe: Das Takhi, das nur noch in Zoos lebt, wieder auszuwildern. Verfallen ist sie den Tieren im Zweiten Weltkrieg auf dem Anwesen Hermann Görings. Die Probleme ihres Sohnes machen es ihr nicht immer einfacher. Norwegen, 2064. Die Klimakrise hat sich verschärft. Weite Teile Europas sind zusammengebrochen, wer kann, flieht nach Norden. Eva und ihre Tochter Isa verharren auf ihrem Hof, wo Eva alles tut, um die letzten Takhis, die sie noch beheimatet, zu retten. Geplagt von Mangel und Hunger drängt Isa ihre Mutter, endlich gen Norden zu ziehen, da taucht plötzlich Louise in ihrem Leben auf. ›Die Letzten ihrer Art‹ in der dritte Teil in Maja Lundes ›Klimaquartett‹. Das Buch umfasst 640 und erschien 2019 bei btb, einem Imprint von Random House. Um das mal vorweg zu nehmen: In ›Die Letzten ihrer Art‹ lässt Maja Lunde eine ganze Menge Pferde sterben und man ist immer hautnah dabei. Ich hab’s da wie mit Hunden, das geht mir immer ziemlich nah. Wie schon im ersten Teil des ›Klimaquartetts‹ widmet Maja Lunde den dritten wieder einer spezifischen Art: Dem Przewalski-Pferd oder Takhi, einem mongolischen Urpferd, das lange Zeit als ausgestorben galt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde es wiederentdeckt und in zahlreichen europäischen Zoos angesiedelt. So wurde die Art in Gefangenschaft langsam wieder aufgebaut. Seit den 1990er Jahren laufen diverse Programme, um das Takhi wieder in seinen ursprünglichen Lebensräumen auszuwildern. In mehreren meist Nationalparks und Schutzgebieten insbesondere in der Mongolei leben heute so wieder wilde Takhis. Strukturell bleibt sich Maja Lunde treu. ›Die Letzten ihrer Art‹ erzählt in drei zeitlich klar getrennten Handlungssträngen die Geschichte der Takhis über die Jahrhunderte. Der Michail-Strang wird dabei in einer Art Reisebericht, den er als Autor nach seiner Expedition veröffentlichen will, erzählt. Karin und Eva erzählen ihre Geschichten aus ihrer Perspektive, in Evas Strang finden sich zudem regelmäßig Briefe von Isa an ihren schon geflohenen Freund Lars. Die gesamte Handlung ist fiktional, die Stränge um Michail und Karin sind aber an historische Ereignisse angelehnt. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber es könnte sein, dass Lunde mit Louise, die im Zukunftsstrang auftaucht, die Geschichte von Lou aus ›Die Geschichte des Wassers‹ weitererzählt. Von ihrem Hintergrund her könnte es passen, auch die betonte Erwähnung ihres Rucksacks spricht dafür. Insgesamt erzählt Maja Lunde durch den Zukunftsstrang wieder eine recht dystopische Geschichte. Die Stimmung ist gerade hier beklemmend und von Hoffnungslosigkeit geprägt. Über allem schwebt die Entscheidung über die Flucht und damit wahrscheinlich das Ende der Tiere. Die beiden anderen Stränge, insbesondere der Michail-Strang, wirken dem entgegen, trotzdem bleibt am Schluss die Zukunft. Maja Lunde dreht das zum Schluss geschickt, so dass ›Die Letzten ihrer Art‹ nicht ganz hoffnungslos endet. Auch der dritte Band ihres ›Klimaquartetts‹ ist wieder ein fein recherchiertes, lautes Plädoyer für ein drastisches Umdenken in unserem Umgang mit dem Klimawandel – und damit weiten Teilen unserer westlichen Lebensart. Maja Lunde schafft es, das mit leisen Tönen zu erreichen. Der Roman wirkt als Gesamtwerk, nicht durch laute Belehrungen. Ihre Botschaft erschließt sich implizit, ohne laut ausgesprochen werden zu müssen. Das alleine schon macht die Reihe für mich besonders wertvoll, weil sie auf diese Weise nicht belehrend oder rechthaberisch daher kommt. Die Debatte ist so vergiftet, da würde eine andere Vorgehensweise bei Zweiflern sofort abgeblockt. So aber gelingt ein Zugang zu einer ganz spezifischen Geschichte und über sie ein Blick auf das große Ganze. Wie für die beiden Vorgänger, gibt es auch für ›Die Letzten ihrer Art‹ eine klare Leseempfehlung. Das Buch ist einfühlsam geschrieben, detailreich recherchiert und gibt so einen Einblick in eine Welt, die schon geschah, und wo sie wohl enden wird, wenn wir unsere Lebensart nicht radikal überdenken. Ein toller Roman zur richtigen Zeit.