seeker7
Dieser 2013 erschienene Roman ist nicht einfach nur ein gutes Buch; er ist ein literarisches Ereignis! Das finde nicht nur ich, sondern auch die Juroren, die ihm den Pulitzer-Preis zuerkannt haben. Ich habe den Roman gerade zum zweiten Mal als Hörbuch gehört und währenddessen zufällig erfahren, dass seine Verfilmung im Herbst in die Kinos kommt. Kaum vorstellbar, dass man dieser Vorlage wirklich auf der Leinwand gerecht werden kann... Diese Geschichte, diese Sprache, diese Intensität nimmt einen nicht nur mit, sie reißt einen mit. Aber erstmal kurz zum Inhalt: Es ist die Geschichte eines zum Mann reifenden Jungen und es ist die Geschichte eines berühmten (realen) Gemäldes. Oder, noch besser: Es ist die Geschichte der Verbindung dieser beiden Geschichten. Bei einem Terroranschlag auf ein Museum verliert der 13-jährige Theo seine Mutter und "gewinnt" das besagte Gemälde, den Distelfinken. Beide Ereignisse prägen sein weiteres Leben in einem kaum zu übertreffenden Ausmaß. Der Lebenslauf des Jungen wird aus der Bahn gerissen; die damit verbundenen Traumatisierungen wird er nie überwinden. Der Leser begleitet ihn in seinem kurvenreichen und zum Teil selbst-gefährdenden Weg durch eine zerbrochene Welt, der zunächst zu einer "Ersatzfamilie" im vertrauten New York, später in das halbseidene Milieu seines Vaters in Las Vegas und letztlich zurück nach New York führt. Drei zentrale Figuren begleiten ihn über die Jahre: Ein Mädchen, das auch Opfer des Anschlages war; ein gleichaltriger Freund, der auch - mutterlos - seinem haltlosen Vater ausgeliefert war und ein väterlicher Mentor, der ihn in die Welt der Antiquitäten einführt. Allein die facettenreiche und in ihrer lebensgierigen Radikalität provozierende Figur des Freundes Boris fordert einen auf eine Art heraus, dass es alleine für ein ganzes Buch reichen würde. Der Versuch, in wenigen Sätzen anzudeuten, was alles rund um Theo, das Gemälde und die genannten Personen passiert, wäre zum Scheitern verurteilt. Da hilft nur eins: lesen! Man kann dabei sicher sein, dass so viele menschliche bzw. existenzielle Grundfragen berührt werden, dass da niemand etwas vermissen wird. Man könnte sich selbst dann in die Sprachkunst der Autorin verlieben, wenn es keine Story, keinen Spannungsbogen gäbe. Sie schildert Situationen, und Atmosphären mit einer Dichte, die - meiner bescheidenden Meinung nach - die Grenzen von dem markiert, was man mit Sprache überhaupt ausdrücken kann. Manchmal möchte man vor stiller Bewunderung förmlich den Hut ziehen oder ehrfürchtig auf die Knie fallen. Gibt es über dieses Buch noch etwas anders zu sagen als diese Schwärmereien? Ja, gibt es. In einigen Momenten wird vielleicht die große Stärke der Autorin - so total hemmungslos eintauchen zu können in ein bestimmtes Milieu oder eine bestimmte Szenerie, sie mit allen Facetten auszumalen, dabei auch dick aufzutragen - fast zu einer kleinen Schwäche. Manchmal erschien es mir des "Guten" zu viel. Ich hätte z.B. auf den einen oder anderen Drogen-Exzess zusammen mit dem schillernden und selbstzerstörerischen Freund Boris verzichten können. Doch das sind eher kleine Nuancen eines beeindruckenden Gesamt-Kunstwerkes. Inzwischen gibt es dieses Buch zum Taschenbuch-Preis. Das erscheint fast ein wenig unwürdig für so ein Werk. Zurückhaltung bei diesem Buch empfehle ich nur dann, wenn man dem Thema Kunst und Antiquitäten so gar nichts abgewinnen kann und es ganz gerne hat, wenn sich eine Geschichte zielstrebig fortentwickelt. Bei diesem Roman ist ganz eindeutig der Weg das Ziel.