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drwarthrop

Posted on 9.1.2020

1971, Gonzo-Journalist und Drogenenthusiast Hunter S. Thompson, alias Raoul Duke befindet sich mit seinem „Anwalt“ und Partner-in-Crime Dr. Gonzo auf dem Weg nach Las Vegas, um dort für ein Sportmagazin vom Mint 400 zu berichten, einem vierteljährlich stattfindenden Motorradrennen in der Wüste Nevadas. 300 $ Gage wurden bereits im Voraus in ein Sammelsurium verschiedenster illegaler Substanzen, sowie einen für diesen Zweck völlig überzogenen Wagen investiert. Unmittelbar vor Ankunft im Hotel schwelgt unser Vorzeigeprotagonist in den Tiefen eines ausgewachsenen Meskalinrausches - inklusive halluzinogener Fledermäuse, die ihn attackieren. Sein Kumpane sieht indes nicht besser aus, muss mit seinen eigenen Dämonen kämpfen und trotzdem schafft es das dynamische Duo unbehelligt von der verhassten Staatsgewalt in die Stadt der Sünden. Dort angekommen stellt Duke fest, dass er vom Rennen bis auf ein paar Staubwolken und schlechtgelaunten Managern keine relevanten Infos für seinen Artikel erhalten wird - als kleiner Zeitvertreib werden deshalb sämtliche, im Gepäck befindlichen Substanzen bis zum sprichwörtlichen Exitus ausgereizt und ein abgedrehter, brutaler Drogentrip nimmt seinen Lauf...bis eines Morgens die Rechnung auf dem Tisch landet und die nackte Panik aus allen Poren strömt. Thompson leitet mit salopper, flamboyant-eskalativ anmutender Diktion durch sein luzides Schauspiel, drängt den Leser immer wieder an den Rand des normal fassbaren, bleibt dabei jedoch stets brutal ehrlich. Die faszinierende, einzigartige Präsenz des deformierten Weltbildes unter Drogeneinfluss wird selten so greifbar und zugleich widerwärtig abstoßend präsentiert, wie in diesem Werk. Eine Parallelgesellschaft abstruser Fantasien, abgründiger Vorstellungen und sodomisierter Sozialpraktik prallt auf den harten, bitteren Kern der Realität und erzeugt so ein aggressives Kontrastbild schneidender Erkenntnisse. Der Rest der Gesellschaft fungiert hier eher als Spielball und wird von den beiden Antihelden nur zum Vergnügen missbraucht (vergleichbar mit Muggeln aus den Harry Potter Romanen), wodurch ein bitterböser Märchencharakter entsteht, der sich durch den Roman zieht. Zitat: >"In einer geschlossenen Gesellschaft, in der jeder schuldig ist, besteht das einzige Verbrechen darin, sich schnappen zu lassen. In einer Welt von Dieben ist die Todsünde die Dummheit." (S.91) Trotz der, nennen wir es mal kognitiv schwächenden Umstände des Romans hält Thompson/Duke die Narrative stets fokussiert und bricht selten durch Retrospektiven oder andere Einflüsse aus. Eine Ausnahme hiervon bildet die ständig präsente und sich intensivierende Paranoia des Ich-Erzählers, die große Teile des Textes einnimmt und zu paradoxen, als auch humoristischen Selbstgesprächen führt - samt ausgereiften Fluchtideen. Zudem werden Eindrücke, Bilder und Impressionen auf sozialer Ebene außerordentlich detailreich beschrieben, was diesen ganzen Alptraum erschreckend farbenfroh gestaltet. Insbesonders etabliert der Autor eine nihilistische, an Eskapismus anmutende Pamphlete dessen Charakter an beißendem Zynismus den wahren Kern vom amerikanischen Traum perfekt zu treffen vermag: Nimm dir Alles und gib Nichts zurück! Ein wundervoller, radikaler, abgedrehter und genialer Drogentrip, eingehüllt in die trügerische Geborgenheit eines Buddy-Movies ergibt wohl die mit Abstand beste Mischung aus Literatur und Journalismus jemals. Ob es die spleenigen Antihelden sind, die freizügige Eskalation mit kognitiven Substanzachterbahnen oder das einmalige Verhältnis von narrativen Elementen, alles passt wunderbar zusammen. Ich kann jedem, der sich von der Grundthematik nicht abschrecken lässt nur dringendst empfehlen sich diesem Werk hinzugeben - der Trip lohnt sich!

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