Cathy | Mlle Facettenreich
Der junge Friedrich geht aus der Schweiz nach Berlin. Er will es sehen, will sehen, was los ist in Deutschland, mit den Nazis. Als priviligierter Sohn bekommt er am Leibe aber wenig davon zu spüren. Das Essen wird rationiert, aber wenn man genug Geld hat, kann einem alles besorgt werden. Gelegentlich geht es mal in den Bombenkeller, wenn die Sirenen heulen, aber sonst … Er lernt Stella kennen. Eine hübsche Blondine. Mutig und aufregend und verrückt. Er verliebt sich und sie macht es sich in seinem Leben bequem, genießt seine Privilegien. Nach einer Feier die von vielen SS-Offizieren besucht ist, verschwindet Stella. Als sie endlich wieder auftaucht – verletzt und mit geschorenem Kopf – erfährt Friedrich, dass Stella Jüdin ist. Erfährt was Juden in Deutschland angetan wird und beginnt zu sehen. Schon vorher war da ein Gefühl, aber jetzt merkt er immer deutlicher, dass ihm Nazi-Deutschland zuwider ist. Immer wieder möchte er mit Stella abhauen, weg aus Deutschland, weg von den Nazis. Doch Stella hält ihn hin. Stella: aufregend, mutig, faszinierend. Eine Frau mit der man gerne seine Zeit verbringt. Sie versteht es zu feiern, zu genießen, vertritt ihre Meinung, ist stark, liebevoll und um nichts verlegen. Keine Überraschung, dass der junge Friedrich keine Chance hat und sich in sie verliebt. Stella ist besonders, Stella ist anders und Stella sieht ihn, liebt ihn. Aber Stella ist Jüdin. Als ihre Tarnung auffliegt, tut sie, was sie tun muss, um sich und ihre Eltern zu retten: sie verrät andere Juden, die sich in Berlin verstecken. Während dieser Verrat anfangs grausam aber nachvollziehbar ist, fährt sie damit auch weiterhin fort, nachdem für ihre Eltern keine Hoffnung mehr besteht. Um sich selbst zu schützen vermutet man. Naheliegend. Als enttarnte Jüdin mitten in Berlin wohl die einzige Möglichkeit zu überleben. Doch etwas anderes schwingt mit, etwas das man nicht greifen kann. Auf Friedrichs Angebote zu fliehen, in die Schweiz, ins Ausland zu seinem Vater, sonst wo hin, geht sie nicht ein. Mit jeder Möglichkeit ihrer Aufgabe zu entfliehen, wendet sie sich von ihm ab. Takis Würger hat eine Stella geschaffen, die zerrissen ist, selbst manchmal nicht weiß, warum sie andere ausliefert, aber auch nicht aufhören kann. Jedoch kratzt er nur an der Oberfläche. Stella gibt kaum etwas von sich preis. Hat sie wohl auch damals nicht. Umso mehr fragt man sich, was sie zu ihrem Handeln veranlasst. Bekommt aber keine klare Antwort. Kann, ebenso wie Friedrich, nur Vermutungen anstellen. Sich wundern, ungläubig den Kopf schütteln. Und eben das ist es, was ich für besonders stark an dem Buch halte: Takis Würger bedient sich eines fiktiven jungen Mannes, um von Stella zu erzählen. Dieser ist Stella verfallen, egal was ist, er würde alles für sie tun. Trotzdem hat er einen kritischen Blick, fragt sich gelegentlich, aber nie zu deutlich. So übergibt der Autor dem Leser die Aufgabe selbst zu entscheiden, selbst Vermutungen anzustellen und selbst Schlüsse zu ziehen, zwischen den Zeilen zu lesen, was vorgeht und was Stella so treibt, wenn sie nicht bei Friedrich ist. So wie Friedrich selbst sich Stella zusammenreimen muss.