Profilbild von drwarthrop

drwarthrop

Posted on 19.12.2019

Der Dokumentarfilmer und Witwer Aoyama erhält von seinem Sohn den Vorschlag, nachdem über sieben Jahre seit dem Tod seiner Frau vergangen sind wieder zu heiraten. Um dieses Vorhaben in Aoyamas Augen „vernünftig“ anzugehen plant er kurzerhand mit einem Freund zusammen ein Casting für einen Film, der niemals erschienen wird. Aus dieser Flut an Bewerberinnen möchte er sich dann, ganz „gentlemenlike“ eine aussuchen - Achtung, toxische Männlichkeit. Nach über 4000 Bewerbungen und 100 Kandidatinnen im engeren Kreis verliebt sich Aoyama Hals über Kopf in eine ehemalige Balletttänzerin namens Asami. Unter einem Vorwand lädt er sie nach dem Casting auf ein Abendessen ein, woraufhin sich eine sanfte, aber doch klare Beziehung entwickelt. Trotz der Bedenken seitens seines Freundes beginnt Aoyama Asami immer mehr und mehr zu verfallen, auch wenn er merkt, dass mit ihr etwas ganz und gar nicht zu stimmen scheint... Eine interessante und gegen Ende unerwartet spannende Geschichte über die Folgen von der zu frühen Romantisierung einer aufblühenden Beziehung, den abgründigen Tiefen menschlicher Psyche und der nihilistischen Prägung der heutigen Gesellschaft - mit samt schrecklichen Auswirkungen. Frei, ungeschnörkelt und emphatisch entwickelt sich die mystisch anhauchende und von schwarzen Vorahnungen durchzogene Narrative, die zu überzeugen weiß. Sprachlich meist einfach gehalten manifestiert sich Murakamis poetische Schönheit in der sublimen Prägnanz alltäglicher Situationen und Feinheiten tragischer Fulminanz. Dadurch festigt sich ein gezielter Fokus, der dem Werk als eine Art Leitfaden dient und dadurch selten von eben jenem abweicht. Durch Retrospektiven, bruchstückhaften Erinnerungen und luziden Wunschvorstellungen gefestigt eröffnet sich ein tiefer Blick auf die Bedürfnisse und Begierden humaner Natur. Die wenigen handelnden Personen sind durch markante Eigenschaften und individuelle Spleens, die die Geschichte nahbar macht und den Leser in eine trügerische Decke des Vergessens hüllt organisch und lebendig. Wie auch der Protagonist verliert man sich zusehends in der Zerrissenheit zwischen gewolltem Glaube und bitterer Realität, um mit ihm gemeinsam händeringend nach Lösungen zu suchen. Trotz oder gerade wegen ambivalenter Vorgeschichten wird sowohl mit Hoffnung, als auch Ängsten gespielt, die wohl jedem so oder so ähnlich schon begegnet sind - nur hoffentlich nicht mit den gleichen Resultaten. Zudem vermag der Autor kleine Szenen durch detailverliebte, Teil stark blümerante Beschreibungen visuell charakteristisch zu präsentieren, wodurch sich die Begebenheiten besser festigen und farbenfroh beleuchten. Selten habe ich eine Geschichte gelesen, die mich in nicht einmal 200 Seiten so dermaßen beeindruckt und zu gleichen Teilen abgestoßen hat (im positiven Sinne). Immer die narrative fest im Blick erhalten wir hier einen genialen, spannenden und aufwühlenden Roman, der jedem Fan von abgedrehten, etwas blutigen Geschichten gefallen dürfte - jedoch würde ich jedem geneigten Leser mal einen kurzen Blick empfehlen, es lohnt sich!

zurück nach oben