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Fabian Thomas

Posted on 11.12.2019

„Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen“ – mit dem berühmten Zitat von William Faulkner lässt sich auch die Anlage von Norbert Gstreins neuem Roman Als ich jung war (Hanser Verlag) beschreiben, der dieses Jahr den Österreichischen Buchpreis gewonnen hat. Erzählt wird die Geschichte von Franz, der in Tirol auf dem Gasthof seiner Eltern als „Hochzeitsfotograf“ engagiert wird. Der Gasthoft, scherzhaft als „Hochzeitsfabrik“ tituliert, hat sich ganz auf diese Unternehmung verlegt – und somit bekommt Franz Paar für Paar vor die Linse und ein gutes Händchen dafür, im richtigen Moment abzudrücken und das „Glück des Augenblicks“ festzuhalten. Der plötzliche Todesfall einer Braut beendet seine Tätigkeit dann aber abrupt, Franz geht in die USA, wo er die kommenden 13 Jahre lang als Skilehrer im verschneiten Montana arbeitet. Auch hier kommt es aber wieder zu einem Schicksalsschlag: Sein persönlicher Schüler, der ältere Professor Moravec, bringt sich auf der Abfahrt um, indem er ungeschützt gegen einen Baum rast. Dass im Hintergrund eine unglückliche Liebesgeschichte stand, der Professor ungewöhnliche sexuelle Vorlieben und ein vor Franz völlig verborgenes Familienleben hatte, wird erst nach und nach klar. Zurück in Österreich hat der Bruder von Franz den Gasthof der Eltern übernommen und bringt die „Hochzeitsfabrik“ wieder in Gang. Franz, ebenfalls von einem Skiunfall schwer lädiert, versucht in sein altes Leben zurückzufinden. Ihm das Leben schwer macht ein Kommissar, der den alten Todesfall vor 13 Jahren nicht ruhen lassen will. Gstrein verquickt in diesem hochspannend und raffiniert gebauten Roman Thriller-Elemente mit existentialistischen Fragen: Wieviel wissen wir vom anderen? Wie erzählen wir uns unser eigenes Leben? Besonders macht den durchgehend aus der Ich-Perspektive erzählten Roman die nicht gerade zuverlässige Figur des Franz, der die Details des Erzählten immer nur scheibchenweise preisgibt und das Erzählte permament unter Zweifel stellt.

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