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Der erste Satz: »Alphonse Betancourt quälte sich die steinernen Stufen zu seinem Büro in der Festung Ehrenbreitstein hinauf und musste feststellen, dass die Jahre nach dem großen Krieg, die er an verschiedenen Orten überwiegend in Schreibstuben verbracht hatte, inzwischen ihren Tribut verlangten.« Coblenz am Rhein: 1924, diese Ecke des Rheinlands ist nach dem Ersten Weltkrieg durch die Franzosen besetzt. Die Reparationszahlungen zwingen Deutschland in die Knie. Entsprechend ist die deutsche Bevölkerung nicht gut auf die französischen Soldaten zu sprechen. Dieter Aurass hat sich hier ein interessantes Thema aus der Region vorgenommen, was mir gut gefallen hat. Der historische Krimi ist gefällig. Ein französischer Soldat wird nachts ermordet, die Kehle wurde mit einem Messer halb durchtrennt. Als der französische Ermittler Didier Anjou sich an die Arbeit macht, hat er gleich den nächsten Fall auf dem Tisch, wieder ein Soldat, gleiche Vorgehensweise bei der Tötung. Und es wird nicht der letzte Tote bleiben. Da sich der Fall zu einer Serie ausweitet, bittet er um Amtshilfe bei der deutschen Polizei und bekommt den jungen Kommissar Adalbert Wicker zur Seite gestellt. Es gibt genügend Gründe für die deutsche Bevölkerung, sich an den französischen Soldaten zu rächen. Aber der Krieg ist beendet, und um solch blutige Meuchelmorde zu verüben, müsste man schwerwiegende Gründe haben – oder schlicht psychotisch ein. Anjou kommt in seiner Ermittlung nicht voran, er kennt sich zu wenig mit den Deutschen aus, Wicker hat seine eigene Theorie. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche des Mörders, jeder auf seine Weise. »Aber sie schob diese Gedanken für einen Moment beiseite und streichelte stattdessen zärtlich Adalberts Wange. »Du weißt chéri, dass ich dich von ganzem Herzen liebe und alles für dich tun würde.« Der Roman ist schnell gelesen. Dieter Aurass schafft es, das gestörte Verhältnis zwischen Besatzer und Bevölkerung gut zu transportieren. Die Geschichte ist glaubhaft, die Ermittlungsarbeit ordentlich beschrieben. So weit, so gut, ein bodenständiger historischer Krimi. Ein interessantes Thema, das einem Noir-Krimi würdig gewesen wäre. Und genau das ist es nicht. Mir ist die Geschichte ein wenig zu seicht, was dem Krimi ein wenig die Spannung nimmt, und mir fehlte die Härte dieses Themas, Stolpersteine, der Sog in das Buch hinein. Das liegt einerseits an der Figurenauswahl und andererseits an der Figurentiefe, die mir fehlte. Die Sprache ist ein wenig seicht, knarzt an einigen Stellen, ist nicht punktgenau ohne erzählerische Kraft (siehe der erste Satz) . Und es gibt viele Dialogschwächen. Historisch ist der Zwist der Bevölkerung gut dargestellt, aber mir fehlten sprachliche Bilder. Sprachlich-historische Bilder, aber auch Örtlichkeiten, letztendlich fühlte ich mich nicht in Zeit hineingezogen, auch nicht ins Rheinland. Der Epilog ließ mich am Ende schnell umblättern, wieder dieses Seichte. Dabei blieben dann leider Fragen offen. Prolog – Epilog – das muss einen Sinn ergeben, einen solchen Baustein zu nutzen, die wenigsten Romane benötigen dies. Und die müssen dann gefeilt sein, sprachlich bis ins Kleinste. Gut zu lesen, ein Krimi für gemütliche Stunden, für sanfte Krimileser. Dieter Aurass, 1955 in Frankfurt geboren, war Polizeibeamter, bis er nach seiner Pensionierung seinem eigentlichen Traum nachgehen konnte: dem Verfassen von Kriminalromanen. Nach einer Frankfurter Regionalkrimireihe legt er mit Rheinlandbastard seinen ersten historischen Roman vor. Er lebt mit seiner Frau bei Koblenz.