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Der Anfang: »Am Anfang ist Dick nur zu seinem Arm böse. Er beißt hinein, bis er zum Arzt muss und dieser ihn über den Brillenrand hinweg anschaut …« Dieser Roman ist etwas für Leser mit einem schrägen Humor. Eine beißende Satire auf das Schweizer Bankensystem, das Katzbuckeln. Gleichzeitig ist es die Geschichte eines Absturzes, ein Psychodrama. Das Buch stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019. »Die Personalfrau … fragt, weshalb er das Studium abgebrochen hat. Aus gesundheitlichen Gründen. Was? Er will ihr die Bisswunde zeigen, aber sie ist schon bei der nächsten Frage. … Die Personalfrau blättert in den Unterlagen. Er soll von seinen Stärken erzählen. Gibt es etwas, dass er besonders gut kann? Essen. Wie bitte? Das ist doch keine Stärke. Er kann essen was er will, ohne zuzunehmen. Sie meinen, Sie sind ein Dick, der nicht dick wird? Genau. Das ist doch keine Stärke. Wir sind eine Bank und kein Restaurant. Sie seufzt. Reden wir über Ihre Schwächen. Haben Sie eine? Süßes. Also nein! Ist das Ihr erstes Bewerbungsgespräch?« Dick Meier hat sich selbst verletzt, sich in den Arm gebissen. Der Arzt rät ihm, er solle das im Leben ändern, was ihn störe. So bricht er sein Jurastudium ab und bewirbt sich bei einer Schweizerischen Bankanstalt, bekommt einen Job und er sucht sich eine eigene Wohnung, dem häuslichen Mief und Druck zu entkommen. Schnell steigt man in dieser Bank auf und wieder ab. Erst scheint alles gut zu laufen, es gibt nicht viel zu tun. Doch nach seiner Beförderung knechtet die Arbeit Dick, und er beginnt ein zweites Ich abzuspalten: Er fängt an, sich nachts in Mobbing Dick zu verwandeln und sich an denen zu rächen, die ihn kaputt machen. Lügen und Intrigen, wohin man auch blickt, Familie und Arbeitsplatz, hier hat jeder etwas zu vertuschen. Dick ist immer auf dem Sprung, vom Bankhaus am Paradeplatz ins Sprüngli, Cremeschnitten und Pralinen organisieren, und ab nach Hause ins Langstrassenquartier (bekannt für ihren illegalen Straßenstrich), Zürcher Kreis 4. »Im Kurs muss Dick eine Geheimschrift lernen. Die Kursleiterin nennt es Vreneli-Code. Dank diesem Code wird die Bankanstalt überleben, auch wenn das Bankgeheimnis dereinst ganz abgeschafft werden sollte.« Wieso heißt ein Schweizer Dick? »Weil ich bei der Geburt sechs Kilo gewogen habe.« - die Lügenantwort. Weil seine Eltern Dick Cheney verehrten und überhaupt alles, was aus Amerika kommt. Und das ist ihm peinlich, wie die gesamte Spießerfamilie. Eine Glucke zur Mutter, einen Patriarchen zum Vater, wer mag hier nicht krank werden? Familien-Hierarchie, Bank-Hierarchie, Dick wechselt vom Regen in die Traufe. Das Goldvreneli ist die bekannteste Goldmünze der Schweiz. Und auch hier geht es um das Vreneli – in diesem Fall eine Geheimschrift. Bankengeheimnis, die Amerikaner setzen die Chefetage unter Druck – und wer ist der beste Anlagenverkäufer? Drogen, Aufstieg und Abstieg, Neid, Manipulation von Mensch und Statistik – Mobbing, Ellenbogen und beste Beziehungen – wer ist der Meister der Intrigen? Eine süffige und rasante Erzählung im grotesken Stil, Slapstick, schräge Dialoge – Monty Python lässt grüßen. Zum Inhalt will ich nicht zu viel verraten. Einfach lesen und sich königlich amüsieren – soweit man für schrägen Humor eine Ader hat. Tom Zürcher, geboren 1966, lebt in Zürich und ist der unentdeckteste Schriftsteller der Schweiz. Seine Brötchen verdient er mit Reklametexten. »Mobbing Dick« war nominiert für den Deutschen Buchpreis 2019.