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Momo

Posted on 22.11.2019

Das Buch habe ich vor drei Tagen beendet, und komme erst jetzt dazu, die Buchbesprechung zu schreiben. Mir hat es recht gut gefallen, wo ich anfangs ein wenig ungeduldig war, siehe Buchvorstellung, Meine ersten Leseeindrücken. Es hat ein wenig gedauert, bis ich hinter die Fassade der Protagonist*innen eindringen konnte. Da dies als ein Gesellschaftsroman deklariert ist, kann man sich denken, dass man es mit überaus vielen Figuren zu tun bekommt. Aber Juli Zeh kommt uns Leser*innen entgegen, in dem sie hinten im Anhang zum Nachschlagen eine Personenliste erstellt hat, was ich sehr nützlich und hilfreich fand. Wegen der Vielzahl an Leuten in Unterleuten werde ich meine Buchbesprechung dieses Mal ein wenig anders aufziehen, werde mehr über meine Eindrücke schreiben. Die Handlung Unterleuten ist ein sehr kleines fiktives Dorf aus der ehemaligen DDR, das sich nicht weit von Berlin befindet. Viele Menschen aus dem Osten sind nach der Wende weggezogen aber andere sind der Idylle wegen aus dem Westen hinzugezogen. Die Handlung spielt im Jahr 2010/2011. Für die Dagebliebenen ist Unterleuten eine Herausforderung. Zu DDR – Zeiten kämpften sie gegen den Kommunismus an, nach der Wende kämpften sie gegen den Kapitalismus. Richtig glücklich sind sie nie gewesen, wenn sie sich auch wieder nach alten Zeiten zurücksehnen. Die Zugezogenen erleben in Unterleuten durch die malerische Landschaft eine wahrhafte Idylle. Eine Figur ist von Beruf Pferdeflüsterin und benötigt, um ihren Beruf auch ausführen zu können, dafür viel Weideland. Mit eigenen Pferden möchte sie anderen Menschen den richtigen Umgang zu den Tieren beibringen. Ein anderer ist Vogelschützer, und möchte alles tun, außergewöhnliche Vogelarten, die es in Unterleuten gibt, in ihrer Art zu erhalten. Dieser setzt sich für die Vögel ein, damit sie ihren gesunden Lebensraum erhalten können, wären da nicht die Windräder, die wiederum eine andere Figur unbedingt bauen möchte, aber sehr schlecht für die Vögel wäre. Der Roman spitzt sich zu einem Drama ab, da jede Figur andere Ziele verfolgt, die auch politisch nicht unter einem Hut zu bringen sind. Man hat den Eindruck, dass jede wie Ketten mit der anderen verbunden ist, da sie, um ihre Pläne umsetzen zu können, von den anderen Dorfbewohner*innen abhängig ist. Und niemand ist wirklich frei. Welche Szene hat mir so gar nicht gefallen? Mir hat gar nicht gefallen, dass Gerhard Fließ, 50 Jahre alt, von Beruf Soziologe und Hochschuldozent, zusammen mit seiner jungen Frau Jule und ihrem kleinen Säugling Sophie die ganze Zeit passiv geblieben sind, als der Nachbar absichtlich Brände gelegt hat, um ihnen zu schaden. Der Nachbar hieß Schaller, den Juli Zeh aber lange Zeit nur als das Tier von nebenan bezeichnet hat. Ich war etwas irritiert. Was meinte sie mit Tier? Erst sehr viel später verriet sie den Namen dieser grässlichen Person, die die Luft seiner Nachbarn verpestet. Schaller ist von Beruf Automechaniker. Absichtlich verbrennt er Autoreifen und andere Stoffe, sodass die Luft der Familie Fließ einfach verpestet wird. Die Familie kann die Räume im Haus nicht mehr lüften, da sie sonst die ganzen Schadstoffe einatmen würden. Der Rasen war nicht mehr grün, sondern pechschwarz. Mich hat gewundert, dass die Familie hinter verschlossener Türe ihren Frust zollte, aber sonst lange Zeit nichts dagegen unternommen hat. Erst am Ende wird Fließ gegenüber Schaller gewalttätig und schlägt den Mann krankenhausreif. Mir schien diese Szene partout nicht glaubhaft. Jeder normale Mensch würde schon viel früher etwas unternehmen, um dem Mann Einhalt zu gebieten. Und wenn es über eine Anzeige bei der Polizei auslaufen würde, wenn sonst nichts anderes greifen würde. Aber wie das Dorf eben so eingestellt ist, regeln die Menschen hier ihre Probleme selbst, und zur Not greifen sie sogar zur Selbstjustiz. Die Zugezogenen haben sich dem Milieu der langansässigen Dorfbewohner*innen angepasst. Trotzdem fand ich es widernatürlich, dass das Paar nicht einen Versuch unternommen hat, sich beim Nachbar zu beschweren. Für mich war zudem auffallend, dass die Autorin in der Personenbeschreibung sehr viele Vergleiche zu Tieren aufgestellt hat. Leider haben die Tiere dabei sehr schlecht abgeschnitten. Doch es gibt keine bösen Tiere und das größte Monster ist nicht das Tier, sondern ganz allein der Mensch. Ich weiß nicht, ob Juli Zeh eine Verbindung zu Tieren hat ... Welche Szene hat mir besonders gut gefallen? Dass am Ende jede Figur das bekommen hat, was sie verdient hat. Ich habe mit einem offenen Ende gerechnet. Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin? Keine, da auf mich alle Figuren irgendwie gestört gewirkt haben, mit Ausnahme von Schallers Tochter Miriam, die sich mit Erfolg für Familie Fließ gegenüber ihrem Vater eingesetzt hat. Welche Figur war mir antipathisch? Ein wenig alle. Meine Identifikationsfigur Keine. Cover und Buchtitel Beides passend. Der Vogel auf dem Cover zeigt diese besondere Vogelart, die in Unterleuten leben. Zum Schreibkonzept Auf den 650 Seiten besteht das Buch aus sechs Teilen und insgesamt aus 62 Kapiteln. Zu Beginn eines jeden Teils bekommt man einen kleinen einleitenden Spruch zu lesen, den ich immer gut fand. Das Buch endet mit einem Epilog. Meine Meinung Mir waren die Figuren zu wenig differenziert. Und einige Episoden nicht glaubhaft genug. Wie ich eingangs schon geschrieben habe, bin ich zu Beginn schlecht in die Handlung reingekommen. Erst später nahm für mich die Spannung zu, als mir die Figuren von Seite zu Seite immer vertrauter wurden. Ich habe den Schreibstil sehr bewundert und viele tolle Gedanken, die ich mir im Buch alle markiert habe. Schade, dass ich es aus Zeitgründen nicht schaffe, sie hier herauszuschreiben, wie ich es sonst immer getan habe. Juli Zeh hat mit ihrem Buch sehr neutral die Missstände der Menschen aus der Zeit der DDR aufzeigen können, aber auch die Missstände aus dem Westen Deutschlands. Viele Westdeutsche denken, dass in der DDR alles schlecht verlief, während sie die BRD im Gegenzug idealisieren und vergessen dabei die eigene Geschichte und die eigenen Mängel im Land. Nein, auch in Westdeutschland gibt es viele Missstände. Und dies ist Juli Zeh gelungen, die Probleme beider Welten aufzuzeigen. Und das hat mir eigentlich am meisten imponiert. Mein Fazit Beharrlichkeit hat sich hier gelohnt. Nicht jedes Buch hat es verdient, bis zum Ende durchzuhalten. Doch hier freue ich mich sehr, dass ich dieses Buch gelesen habe, und habe es gleich meiner Freundin Anne weiterempfohlen, die das Buch auch lesen wird. Ich hoffe bald, dann können wir uns darüber noch austauschen.

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