salo bikini
Dieses Buch eignet sich vielleicht eher dazu rezensiert, denn gelesen zu werden. Es ließen sich leicht Sachen sagen über die Schroffheit des Lebens, die Großstadtromantik des Alltags und der Kleinigkeiten die hier eben wie sie sind, also rau und in ihren Details der Leserin präsentiert werden. Und das gelingt, bleibt jedoch (zumindest mir) unzugänglich, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass ich nicht aus der Bronx in New York komme, sondern aus der weißen Oberschicht Mitteleuropas. (Und mit Oberschicht ist hier der Teil der Gesellschaft gemeint, die sich selbst normalerweise als obere Mittelschicht bezeichnen würde) Zum Glück fehlt dem Buch die Perspektive einer solchen, weißen, Wohlstandsherkunft gänzlich, aber leider fehlt auch anderes. Da fehlen zum Beispiel Frauen, die nicht als zu erkundendes Mysterium auftreten. Deren Körper erkundet und beschrieben wird, mal hässlich, mal schön, aber halt vor allem Körper ohne Tiefe (no punt intended). Und selbst dort, wo diese eine aktive Rolle spielen (und das ist meistens wenn sie mit einem der Männer aus dem Buch schlafen oder sich einer der Männer vorstellt mit ihr zu schlafen), dient das eigentlich immer nur dazu auf die Geschichte oder seelische Tiefe oder emotionale Verwundung des Mannes hinzuweisen und damit die Handlung voranzubringen. Es ist nicht IHR Sex, selbst wenn SIE erfahrener ist oder sich den Sex ausgesucht hat. Sondern der Sex ist für IHN da, auch wenn alles versucht wird, den Anschein zu erwecken es ginge um mehr als die Entwicklung des Charakters des einen oder anderen Mannes. Das Buch besticht dennoch durch die Geschichten, die es erzählt und die vielfältigen Einblicke, die es gewährt in verschiedene Zeiten, Szenen, Communities und Dynamiken einer Gegend in New York und sei es durch Rückblicke auf die Zeit dort. Auch bleibt leider unentschieden, ob es sich bei den Figuren, um selbstreflektierte und selbstkritische Menschen handelt, oder nicht. Vielmehr wird zwischen den Zuständen ständig gewechselt, je nachdem was davon gerade stimmungsvoller in die Szene passt. Aber vielleicht ist die Unzufriedenheit, die das auslöst, auch der Übersetzung geschuldet, die sichtlich (und berechtigt) Schwierigkeiten damit hat, eine Balance zu finden zwischen dem was übersetzt werden muss und dem was übersetzt werden müsste, aber vielleicht nicht übersetzt werden kann. Wirklich authentisch wirken (zumindest auf mich) lediglich die Geschichten oder Teile der Geschichten, die sich um Familie drehen und durch das, was sie auslassen und andeuten einem ihre ganze Wucht ins Gesicht schleudern, aber vielleicht ist Authentizität hier auch gar nicht das angebrachte Kriterium. Es bleibt jedenfalls vieles unentschieden, Ambivalenzen werden als solche stehengelassen (so auch die oben erwähnte Oszillation zwischen reflektiert/unreflektiert). Das ist manchmal schwierig auszuhalten, aber möglicherweise die größte Stärke des Buches. In diesem Sinne kann ich sehr empfehlen das Buch zu lesen und gleichzeitig nur davon abraten.