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Yvonne Franke

Posted on 25.10.2019

„Endlich ein Mann, der keine Angst vor Emotionen hat“, sagte Charles Bukowski einst über den von ihm sehr verehrten John Fante. Eine Einschätzung, die sich in Fantes Roman „Der Weg nach Los Angeles“ besonders schillernd bestätigt. Bereits in den 1930er Jahren verfasst, fand sich für dieses mit jugendlicher Kraft, Brutalität und roher Leidenschaft gefüllte Werk, lange Zeit kein Verlag. Erst 1985, zwei Jahre nach John Fantes Tod, erreichte seine Frau doch noch die Veröffentlichung des Romans. Nun ist im Aufbau Verlag eine Neuübersetzung des Schweizer Schriftstellers Alex Capus erschienen. Nah am Originalmanuskript schafft Capus es sogar Fantes außergewöhnliches Rhythmusgefühl ins Deutsche zu übertragen. Die Hauptfigur, Fantes Alter Ego Arturo Bandini, klingt, ihrer Zeit voraus, eher wie eine Figur aus der Literatur der Beat Generation. Fast hört man, wie Bandinis Streifzüge am Hafen von Los Angeles von Saxophon- und Schlagzeugimprovisationen akzentuiert werden. Sprachlich macht Fante alias Bandini zwei Ebenen auf und ist in beiden gleichermaßen explizit und schonungslos. Zum einen gibt es die großspurige Gedankenwelt des 18- jährigen, überschäumend wütenden Tunichtguts, dessen einziger Ehrgeiz darin besteht, sich Fachvokabeln und Fremdphilosophien anzueignen, um sich in Alltagsdiskussionen überlegen fühlen zu können. Einmal trägt er seiner Schwester auf, ihm Bücher mitzubringen „die das Gesindel nicht lesen kann“. Manchmal entstehen bei dieser Angeberei wunderbar fantasievolle Wortschöpfungen, Sinnbilder seiner Belesenheit. So nennt er besonders hoch gewachsene Menschen oder große Ereignisse zum Beispiel gern „brobdingnagisch“, nach dem Land der Riesen (Brobdingnag) aus Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“. Um seinen Vorgesetzten in der Fischkonservenfabrik bloßzustellen, fragt er nach dessen 'Weltanschauung' und verwendet hierfür, auch im amerikanischen Original, das deutsche Wort. Er liest Nietzsche und Schopenhauer und trägt sein relativ oberflächliches Wissen wie ein Demonstrationsplakat, für jeden sichtbar, vor sich her. Bandini ist vorlaut, besserwisserisch aber vor allem wütend - in Wort und Tat. Er schießt am Hafen auf hunderte von Krabben, reißt Fliegen die Beine aus, verletzt sich selbst. Er schwelgt in Machtfantasien, wünscht sich, mit seinen Gedanken Flugzeuge zum Abstürzen bringen zu können. Doch dann gibt es diese große Sehnsucht, die Arturo weichere, fast poetische Töne entlockt. Die Kaltschnäuzigkeit fällt von ihm ab, die Gedanken beginnen in seinem Kopf zu schwirren. Wenn er an die schöne Bibliothekarin oder auch die Nacktmodelle aus seiner Magazinsammlung denkt, zerschmelzen plötzlich seine Finger und „das Sonnenlicht fällt in scharfen Pfeilen durchs Fenster“. Es sind wohl diese Gegensätze im Herzen des Arturo Bandini, die ihn zu einer faszinierenden und zutiefst berührenden Figur werden lassen. Die Gnadenlosigkeit mit der er das Böse in sich, aber auch das Weiche, Zarte nicht nur zulässt, sondern mit Fanfaren begrüsst, ist ohne Frage erschütternd, doch vor Allem macht es Mut. Bandini ist keine klassische Heldenfigur, aber mit Sicherheit jemand, der nicht aufgibt. Jemand, der gewinnen will.

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