Ai Haninozuka
Nachdem ich schon einige Eindrücke von anderen Lesern gesehen hatte, überkam mich die Sorge, dass mir das Buch überhaupt nicht gefallen wird. Ich wusste, dass es sich um eine dramatische Liebesgeschichte in futuristischem Setting handelte, aber was mich erwartete, konnte ich mir nicht so ganz ausmalen, also versuchte ich so vorurteilsfrei wie möglich mit dem Lesen zu beginnen. Anders als erwartet war ich bereits auf den ersten Seiten angetan. Die Geschichte wird aus der Sicht eines auktorialen Erzählers begleitet und ich glaube, diese Sicht habe ich bisher in keinem Buch gelesen. Jede Seite las sich, als würde mir jemand aus dem Off erzählen, was gerade passiert und ich hatte immer sofort Bilder vor Augen, als würde ein Film vor meinem inneren Auge ablaufen, während ich lese. Das habe ich zwar immer, aber nie derart ausgeprägt. Normalerweise bin ich ein Fan der ersten Person, wenn es um Erzählstile geht, aber Melina konnte mich hier wirklich begeistern. Nicht nur, dass ich mir alles lebhaft vorstellen konnte, sondern auch, dass sich sofort diese typische Atmosphäre einer Dystopie anbahnte, hat mich noch neugieriger auf die Geschichte werden lassen. Das Buch ist atmosphärisch, stimmig und mitreißend und ich habe ständig mitgefiebert, was nun als Nächstes passieren wird. Es bleibt immer temporeich und spannend, so viel sei gesagt. Man bekommt im ersten Kapitel, quasi dem Prolog, eine sehr leicht verständliche Beschreibung des Systems von Pangea und den "Soulchips". So hat man sofort einen gelungenen Einstieg in die Geschichte aufgebaut und ich als Leser konnte mir einen ersten Eindruck des Systems machen. Darauf folgten dann auch schnell die Einblicke in das Leben der verschiedenen Figuren. Im Fokus stehen natürlich Virginie, Ilay und Joah, aber auch den Freundeskreis, bestehend aus Georgina, Casper, Trevor und Vaith lernt man im Laufe des Buches ein wenig näher kennen. Neben den Protagonisten spielen aber auch Cassandra Callahan und Kian eine wichtige Rolle und so erfährt man von Zeit zu Zeit auch mehr von ihren Gedanken und Gefühlen. Cassandra ist der Kopf der "Kartei" und gehört damit quasi zum Teil der Regierung und ist enorm wichtig für diese. Das ganze Konzept wird zeitnah am Anfang erklärt, deswegen möchte ich hier nicht so weit ausholen, aber Cassandra hat das heutige System mit aufgebaut und trägt einen Haufen Verantwortung, obwohl auch sie leise Zweifel beschleichen. Ob das dann überhaupt gut gehen kann? Die Geschichte rund um Virginie, Ilay und Joah wird auf 216 Seiten in einem zügigen Tempo erzählt. Geradlinig nimmt die Autorin den Leser mit auf eine Achterbahn der Gefühle, denn es geht ständig auf und ab, ohne dabei vom eigentlichen Thema abzuschweifen. Es gibt keine langweiligen Nebenhandlungsstränge und es wird sich auf das Wesentliche konzentriert, was mir sehr gut gefallen hat, weil es dadurch nie langatmig und eintönig wird. Wer eher auf ausschweifende Beschreibungen steht, wird hier vermutlich nicht glücklich, aber für meinen Geschmack war es sehr gut. Ich mag es nicht sonderlich gerne, wenn sich zu lange in einer Szene aufgehalten wird, weil mir schnell langweilig wird. Hier gibt es viele, schnelle Szenenwechsel, wobei zwar manchmal das Gefühl auf der Strecke bleibt, weil man die Szene nicht genießen kann, aber als sehr störend empfand ich das hier nicht, da ich bei 216 Seiten auch nicht damit gerechnet hatte, emotional gepackt zu werden. Man wird eben schnell von einer Szene in die Nächste geworfen, aber wie gesagt ... Emotional konnte mich die Geschichte an sich zwar nicht packen - ich habe weder Tränen vergossen, noch hat die Geschichte mich auf emotionaler Ebene getroffen, aber (!) auf rationaler Ebene war sie genau mein Geschmack. Es gibt viel zum Nachdenken, die Sympathieträger wechseln flott, man muss sich wirklich in die Figuren hineindenken, um ihre Handlungen nachzuvollziehen und verstehen zu können. Das fällt allerdings nicht wirklich schwer, da die Figuren meines Erachtens gut ausgearbeitet wurden. Sie sind menschlich, sie haben Ecken und Kanten, sie machen Fehler und sie zeigen Reue - in den meisten Fällen. Das macht sie so greifbar und authentisch und auch wenn Virginie wirklich alles andere als mein Golden Girl war, hatte ich unheimlich Spaß, die Geschichte zu lesen, weil hier wieder mal aufgezeigt wird, dass man Figuren, oder gar die Protagonisten, nicht zwangsläufig mögen muss, um an der Geschichte interessiert zu sein. Was man von den einzelnen Personen hält, ist wahnsinnig abhängig von der eigenen Persönlichkeit, weil jede Figur wirklich einzigartig ist. Man kennt das auch von sich selbst, dass man mit manchen Leuten einfach besser klarkommt als mit anderen und genau so ist es auch mit den Charakteren in "What If". Trotz aller Sorge hat mich die Geschichte positiv überrascht. Ich mochte die Mischung aus Romance und Dystopie sehr gerne und habe zuvor nichts Vergleichbares gelesen. Die Liebesgeschichte wird perfekt in das futuristische Setting eingeflochten und die Atmosphäre der Dystopie geht dabei keinesfalls verloren, obwohl diese eher im Hintergrund steht. Das flotte Tempo sorgt für stetigen Schwung in der Geschichte und hält die Spannung konstant oben. Nicht nur der Schreibstil, sondern auch die Figuren konnten mich verzaubern und somit bekommt "What If" 4 Sterne von mir. Eine spannende, geradlinige Lovestory mit tollem Setting, welche durch den Fokus auf das Wesentliche definitiv nicht langweilig wird.