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Oneofthefoxes

Posted on 22.10.2019

Insgesamt kommt für mich "Rheinblick" nicht an Glassers letzten Roman "Bühlerhöhe" heran. Dieser Vergleich drängt sich auch deshalb auf, weil das Konzept des Romans wieder ein Haus in den Mittelpunkt stellt, bei dem zumindest im Roman (das Gasthaus Rheinblick ist anders als die Bühlerhöhe eine Erfindung der Autorin) das halbe politische Bonn seinen Feierabend verbringt. Hier finden sich auch nach und nach, die verschiedenen Figuren des Romans ein. Eigentlicher Dreh und Angelpunkt ist aber Willy Brandt, der kurz nach den Wahlen 1972 auch historisch belegt eine Kehlkopfoperation hinter sich gebracht hat und zwei Wochen lang nicht sprechen darf. Ein politisches Problem, denn das ganze fällt genau in die Koalitionsverhandlungen, an die alte und neue Kanzler nicht persönlich teilnehmen kann. Belegt ist auch,das hier seine Wünsche explizit umgangen wurden. Über die angehende Logopädin Sonja wird dieser Teil des Romans beleuchtet. Allerdings fand ich das es auch irgendwie so dahin plätscherte. Da Sonja eigentlich kaum auf ihn trifft, bleibt dieser eigentlich sehr interessante Teil der Handlung seltsam blass und wirkt fast auch fehl am Platz. Auch eine WG, damals noch ein recht neues Konzept des Zusammenlebens,wird eingeführt in der verschiedene andere Figuren zusammenkommen und die Handlung durch ihre Blickwinkel mit zusammensetzen. Politische Debatten, Drogenkonsum, feministische Diskussionen, so wie man sich die jungen Leute in den frühen 70er Jahren, noch stark von der Studentenbewegung geprägt, vorstellt. Eine junge Journalistin die sich ihre Aufträge außerhalb der "Frauenthemen" immer neu erstreiten muss. Hier fand ich vor allem Lotti, die als Journalistin versucht auch schwierigere Themen wie etwa die Kritik an der Heimerziehung durch zu setzen, noch am interessantesten. Sie hat einfach am meisten Profil und wirkt nicht so Stereotyp, wie der Rest der WG. Vor allem Max fand ich zum Teil ganz schön unsympathisch. Außerdem fand ich die Liebesgeschichte die die Autorin einbaut irgendwie übertrieben. Das grenzte ein bisschen an Kitsch und daher gefiel mir dieser Aspekt leider nicht so gut. Dazu kommt dann Hilde, Chefin im Rheinblick, die so ihre ganz eigenen Kämpfe mit sich und der Vergangenheit ausmachen muss. Sie hat immer wieder mit zwei Politikern zu tun, die innerhalb der SPD ihre Machtkämpfe ausführen. Diesen Punk fand ich ganz interessant, ich fand das die Autorin die eher biedere Atmosphäre im politischen Bonn gut eingefangen hat.Zudem ist Hilde eine gut konstruierte Figur, die sich als Frau hier stark behaupten kann. Dennoch hat auch sie ihre dunklen Seiten, allerdings gebe ich zu, das ich diesen Punkt dann etwas langweilig fand. Ich hätte mehr erwartet. Der große Paukenschlag bleibt irgendwie aus. Die Handlung wird auch von dem Mord an einer jungen Frau zusammengehalten, die in einer Heilsarmeeuniform ermordet aufgefunden wird. Leider war aber auch hier der Spannungsbogen etwas lasch aufgebaut. Ich hätte mir aber auch insgesamt etwas mehr Spannung erwartet, der Klappentext suggeriert da einfach mehr, als dann wirklich passiert. Wieder muss ich hier den Vergleich zu "Bühlerhöhe" ziehen. Dort waren für mich die Figuren einfach vielschichtiger und interessanter mit einander verknüpft. In "Rheinblick" plätschert die Handlung oft nur so vor sich hin. Viele Wendungen die interessant hätten sein können, blieben aus. Das Ende ist dann sehr abrupt. Ich fand das ehrlich gesagt nicht besonders gelungen. Es wirkte als ob eigentlich noch etwas fehlt. Fazit: Der Roman spiegelt die Bonnerzeit der BRD ganz gut wieder, allerdings plätschert die Handlung oft einfach vor sich hin. "Rheinblick" ist zwar kein schlechtes Buch, fällt aber deutlich hinter meinen Erwartungen zurück.

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