DasIgno
Elsa ist »siebeneinhalb« Jahre alt und »anders«. Echte Freunde hat sie keine und der Pausenhof ist eine regelmäßige Tortur. Ihre Mutter Ulricka ist hauptsächlich mit ihrer Karriere beschäftigt, doch es gibt da noch ihre Oma. Die ist 77 und eine begnadete Märchenerzählerin. Mit ihr reist Elsa ins Land-Fast-Noch-Wach, einer märchenhaften Welt. Als Oma an Krebs stirbt, hinterlässt sie Elsa einen letzten, großen Auftrag. Er führt sie zu den Menschen, mit denen sie in einem Haus lebt – eine scheinbar zusammengewürfelte Menge von Sonderlingen aller Art. Doch je tiefer Elsa in ihren Auftrag eintaucht, desto mehr beginnt sie das große Ganze zu begreifen – und schwebt plötzlich in großer Gefahr. ›Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid‹ ist Fredrik Backmans zweiter Roman. Das Werk erscheint seit 2015 bei FISCHER und umfasst 457 Seiten. Ich ging mit einer völlig falschen Erwartungshaltung an das Buch. Nach ›Ein Mann namens Ove‹, das vor allem sehr tiefgründig witzig war, fehlt zwar auch bei ›Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid‹ der Witz keineswegs, das Buch ist aber in fast jeder Hinsicht ganz anders. Das hat mir den Einstieg erheblich erschwert. Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich mich auf die Mischung aus Märchen- und Gegenwartserzählung in der Sprache von Elsa einlassen konnte. Dann aber wurde das Buch recht gut. ›Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid‹ wird sehr viel weniger von scharfem Wortwitz getragen, als das noch bei ›Ein Mann namens Ove‹ der Fall war. Nichtsdestotrotz sind Elsas teils etwas kindliche Interpretationen und Omas vollkommen unangepasste Art zwangsläufig für zahlreiche Lacher gut. Fredrik Backman schreibt gewohnt flüssig und fühlt sich auch in Elsas kindlicher Sprache offensichtlich pudelwohl. Stefanie Werner übersetzt das, wie sie es schon bei ›Ein Mann namens Ove‹ tat, gefühlt außerordentlich gut. Die Erzählweise ist auch in thematisch schwierigen Situationen einfühlsam und mitreißend. Der Wechsel zwischen Märchen- und Realitätsebene, der im Laufe des Buches immer fließender wird, hat mir anfangs Schwierigkeiten bereitet, hat aber durchaus einen tiefen Sinn. Mit der Message macht Backman da weiter, wo er bei ›Ein Mann namens Ove‹ aufgehört hat. ›Schau hinter die Fassade!‹ ist auch in ›Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid‹ zentral – vielleicht sogar noch etwas zentraler als in Backmans Debüt. Die scheinbar bunt zusammengeworfene Hausgemeinschaft verbindet mehr, als Elsa zunächst denkt. Zu Beginn des Buchs verbindet Elsa mit den anderen nicht viel – im Gegenteil, einige sind vor allem abschreckend. Doch mit fortschreitender Geschichte muss sie sich mit jedem Einzelnen ernsthaft beschäftigen. Sie lernt ihre Geschichten kennen, wie sie ins Haus zogen und was das mit ihrer Oma zu tun hat und so kommt es schließlich, dass vom Monster bis zu der pedantischen Britt-Marie alle eine, teils sehr unerwartete, zweite Seite offenbaren. Auch wenn Backmans Bücher manchmal etwas länger brauchen, bis man mit ihnen warm wird, es lohnt sich am Ball zu bleiben. ›Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid‹ ist im Kern ein wirklich schönes Buch irgendwo zwischen Roman und Märchen für Jung und Alt. Ist man einmal in der Geschichte angekommen, lässt sie einen nicht mehr los.