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SternchenBlau

Posted on 11.10.2019

Die Fratze der Kommunikation 2016, vor der US-Wahl, haben mir einige Menschen erzählt, dass ein Präsident Donald Trump „schon nicht so schlimm werden wird“. Drei Jahre später ist nun klar, wie schlimm es tatsächlich geworden ist. Und neben den realen Auswirkungen seiner Politik – Klimakatastrophe, internationale Destabilisierung, usw. – steht die Welt auch vor dem Problem, wie sehr die Gepflogen in politischen Kommunikation durch ihn erodiert sind. Bérengère Viennot ist eine Expertin der Kommunikation, denn sie übersetzt seit mehr als 20 Jahren politische Reden und Texte ins Französische. Ihr Buch „Die Sprache des Donald Trump“ sollten nicht nur Journalist*innen und Politiker*innen lesen, sondern alle Bürger*innen, damit wir uns gegen diese Form der Manipulation wappnen können, die Rassismus, Misogynie, Homophobie, ja Menschenhass im Allgemeinen, im großen Stil aufs politische Parket gebracht hat. „I know the best words“, hat Trump einmal getwittert. Auch nach vier Jahren Trump-Lektüre (wenn man die Vorwahlen mitrechnet) ist Viennots Analyse erhellend und treffend. Und obwohl ich viele von Viennots Beispiele in der Presse und auf Twitter quasi fast in Echtzeit miterlebt habe, schockiert mich die pure Anzahl seiner verbalen Gewalt noch einmal stärker, wenn sie so klug wie von Viennot zusammengetragen wird. Schock und Überforderung Zu Anfang ihres Buches schildert Viennot jenes Schockgefühl nach Trumps Wahl zum Präsidenten, bei dem sich viele Leser*innen gleich gut abgeholt und verbunden fühlen werden. Von jeher fand ich es völlig unverständlich, warum ihm auch drei Jahre danach noch so viele Kommentatoren auf dem Leim gehen, und beispielsweise bloße Behauptungen von ihm so in Überschriften verpacken, dass sie als Fakten durchgehen könnten. „Die Sprache des Donald Trump“ erklärt das damit, dass auch Übersetzende und Journalist*innen mit Trumps Sprache überfordert waren – und leider wohl noch immer sind. Viennots Beispiel zum Einstieg: Wenn Trump die Ehefrau des französischen Staatspräsidenten mit den Worten „You’re in such a good shape“ lässt sich das eben nicht nur als simples Kompliment übersetzen. Der schlichte Satz ist vielmehr ein Affront, der sich über die Beziehung Macron mit seiner älteren Ehefrau Brigitte lustig macht und der vor Frauenhass und Sexismus trieft. Die Fratze Viennot ist akribisch und bildet aus der Vielzahl von Trumps sprachlichen Äußerungen in ihrem Buch ein Amalgam, das die Fratze Trump enthüllt. Ich möchte dies nicht im einzelnen auflisten, sondern lege wirklich jede*r die Lektüre ans Herz. Mit dem Cover ist dem Verlag zusätzlich ein grandioses Bild für das Phänomen Trump gelungen. In nur fünf Formen ist Donald Trump erkennbar und der Kreis für den Mund erinnert an die Öffnung auf der Gegenseite, das, was man pietätvoll gerne als verlängerten Rücken bezeichnet. Dort heraus, kommt Trumps Sprache, oder auch die verbale Diarrhö, der Hass, der einem schon auf dem Cover entgegen schreit. Mit dieser Fratze ist die humanistischen Welt konfrontiert, die gegen Ungerechtigkeit, Klimakrise und Rassismus kämpft. Und für diesen Kampf, muss man die Sprache der Gegenseite kennen. Vor kurzem hat Trump geschrieben: „in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit“, solche Formulierungen kennt man von Diktatoren. Die Kurden hätten die Hilfe der USA nicht unbedingt verdient, denn wo seien sie in der Normandie gewesen?, hat er nur kurz darauf geschrieben. Die Rufe nach einem Impeachment Trumps werden lauter, der Ausgang ist allerdings ungewiss und auch im Erfolgsfall sollte man Viennots Buch trotzdem lesen. Denn wie schreibt sie selbst zum Ende ihres Buches: „Wir sollten Donald Trump genau zuhören, auch wenn wir stark versucht sind, einem moralischen und intellektuellen Überlegenheitsgefühl nachzugeben, das uns daran hindern will, ihn erst zu nehmen. (…) nicht zuletzt sollten wir Donald Trump zuhören, weil er ansteckend wirkt“.

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