Magda B.
Zwischen 2005 und 2009 erwachten die Mädchen und Frauen einer abgelegenen bolivischen Mennonitenkolonie regelmäßig benommen, mit Schmerzen und blutend aus dem Schlaf. Die nächtlichen Überfälle wurden Dämonen zugeschrieben, als Strafe Gottes für die sündigen Gedanken der Frauen bezeichnet, oder als Produkt der ungezügelten weiblichen Phantasie abgetan. Irgendwann stellte sich jedoch heraus, dass nicht der Teufel, sondern acht Männer aus der Kolonie die Frauen mit einem Betäubungsmittel bewusstlos gemacht und vergewaltigt hatten. 2011 verurteilte ein bolivianisches Gericht diese Männer zu längeren Gefängnisstrafen. Miriam Toews greift in ihrem Roman diese realen Ereignisse auf. Während die Männer einer Mennonitenkolonie sich in der Stadt versammelt haben, um die Freilassung der angeklagten Männer aus der Untersuchungshaft zu erwirken, treffen sich die in der Kolonie verbliebenen Frauen heimlich, um ihre nächsten Schritte zu beraten. Sollen sie bleiben und weiterleben wie bisher? Sollen sie kämpfen? Oder sollen sie die Kolonie und die Männer hinter sich lassen und in der Außenwelt ein neues Leben beginnen? Ihnen bleiben 48 Stunden, um eine Entscheidung zu treffen, bevor die Männer aus der Stadt zurückkehren... In diesem Roman passiert nicht viel, im Grunde besteht er nur aus den zwei Tage andauernden Gesprächen zwischen acht Frauen (und einem Mann, der diese Gespräche protokolliert). Und trotzdem steckt in diesem Buch wahnsinnig viel. Miriam Toews erzählt leise und unaufgeregt von den Traumata, die auf grausame Gewaltakte folgen, vom Dilemma, wenn die Einhaltung religiöser Grundsätze zur völligen Selbstaufgabe führen würde, erzählt schließlich von Frauen, die ihre völlige Unterordnung unter das von Männern interpretierte Wort Gottes nicht länger in Kauf nehmen wollen und können. Dieses Buch tut weh, es macht wütend und unglaublich traurig. Gleichzeitig ist es aber ein Buch voller Hoffnung, ein Buch, das Mut macht und aufrüttelt. Kein einfaches, aber ein wichtiges Leseerlebnis, das bei mir noch lange nachwirken wird!