FrauenLesen
Astrid Lindgren konnte schon schreiben, als sie noch gar nicht so richtig damit begonnen hat. Das hat sie mit ihren Kriegstagebüchern bewiesen. "Heute hat der Krieg begonnen. Niemand wollte es glauben", schreibt sie in ihrem ersten von siebzehn in Leder eingebundenen Tagebüchern. Astrid Lindgren war 32, verheiratet, Mutter zweier Kinder und hatte erst einige Kurzgeschichten in Zeitschriften veröffentlicht. Persönlich bekamen sie nicht viel vom Krieg mit: Ja, es gab Lebensmittelrationierungen, manchmal war der öffentliche Verkehr lahmgelegt, der Ehemann hatte militärischen Bereitschaftsdienst und die Preise stiegen. Und doch war jeder Tag geprägt von Angst, Angst, dass der Krieg auch zu ihnen kommen könnte. Warum sie diese Tagebücher begann, geht nicht aus ihnen hervor. Später sagte Astrid Lindgren mal in einem Interview, dass sie zu dieser Zeit das erste Mal eine politische Überzeugung hatte. Die ganze Familie diskutierte mit, selbst den Kindern las sie aus den Tagebüchern vor. Durch ihre Arbeit in der Abteilung für Postzensur im Stockholmer Zentralpostamt erfuhr sie, welche Auswirkungen der Krieg auf die Menschen hatte. Einige der Briefe, die sie während dieser Tätigkeit lesen musste, schrieb sie ab (obwohl das streng verboten war) und fügte sie den Tagebüchern hinzu. Schweden war, wie einige wenige andere Länder auch, neutral. Doch an den Grenzen gab es schon brenzlige Situationen. Besonders auf dem Meer, wo ein schwedisches U-Boot versank. Über diese Neutralität lässt sich wahrscheinlich diskutieren. Schweden verdiente am Krieg, ja auch die Familie Lindgren hat daran verdient. Aber Schweden konnte dadurch anderen Ländern mit seinen Ressourcen helfen. Und: "Einer muss ja neutral sein, sonst würde es doch keinen Frieden geben – aus Mangel an Friedensvermittlern." Immer wieder blitzt auch die Angst vor den Russen durch. Astrid Lindgren verriet, lieber mit den Deutschen zu paktieren, als sich den Sowjets auszuliefern. Sie verstand auch die deutschen Menschen nicht: "Mit einem Volk, das im Abstand von etwa 20 Jahren so gut wie die ganze übrige Menschheit gegen sich aufbringt, kann etwas nicht stimmen." Ich emfand das Lesen dieser Tagebücher als sehr interessant. Bisher habe ich ja meist Bücher gelesen, in denen einzelne Opfer berichten, aber so einen allumfassenden Überblick über diese Jahre – den habe ich nun in diesem Buch erfahren.