Profilbild von monerl

monerl

Posted on 19.8.2019

Meine Meinung Als ich das Buch zuklappte, hatte ich kein freudiges Gefühl. Ich war etwas irritiert und habe versucht das negative Gefühl zu packen. Woran lag es, dass ich mit diesem Kinderbuch nicht zufrieden war? Ich habe mir sehr schwer getan, es auf Anhieb zu bewerten und habe angefangen mir Fragen zu stellen. Dies führte dann alles zu nachfolgender Rezension. (Das ist die längste Rezension, die ich je geschrieben habe! Zudem habe ich mir noch nie schwerer getan als hier, Worte und Bewertung für ein Buch zu finden. Das hier ist kein Verriss. Es ist der Versuch, meine Meinung zu einem Kinderbuch mitzuteilen und warum ich es nicht weiterempfehlen würde, ohne dabei die Autorin und die Tochter, deren Erfahrungen wohl ins Buch eingeflossen sind, persönlich zu verletzten.) Was macht ein gutes Kinderbuch aus? An welche Altersgruppe richtet sich das Buch? Kinder 8-12 Jahre / Kinderroman Ist das Buch spannend? Den Klappentext fand ich interessant und er machte mich gespannt auf die Geschichte und die Protagonistin. Beim Lesen jedoch fand ich das Buch leider nicht spannend. Yeshi erlebt zwar viel aber es sind keine Abenteuer, wie ich sie erwartet hatte. Es sind Anhäufungen von blöden Situationen, die sich dadurch ergeben hatten, da Yeshi einfach so mit einer Flüchtlingsfrau mitgegangen ist, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welche Konsequenzen das schlimmstenfalls haben könnte. Yeshi betreibt Schadensbegrenzung. Dabei ist sie Anfeindungen durch Mitmenschen ausgesetzt, die aufgrund ihrer Hautfarbe Vorurteile haben, Klischees bestätigen oder sich rassistisch verhalten. Insgesamt also nicht wirklich lustig. –> Yeshi erlebt viel; viel zu viel! Betrachtet man das Buch mit seinen 160 Seiten, dann gibt es ein heilloses Durcheinander an Situationen und Figuren (Yeshi, ihre Eltern, neue Klassenkameraden und Klassenlehrerin, Flüchtlingsfrau, Zahnfletsch-Gian, Flüchtlingskinder, Busfahrer, Kontrolleurin, alte Oma mit Mops, junge Verkäuferin, Tätowierer, Eltern von Lian, Polizei). -Muss die Trennung ihrer Eltern verarbeiten. -Umzug in eine neue Stadt. -Muss in eine neue Klasse und neue Freunde suchen. -Muss sich mit der Möglichkeit eines neuen Lebenspartners für ihre Mutter auseinandersetzten. -Ist in der Schule Rassismus und Mobbing ausgesetzt. -Lernt Flüchtlinge kennen. -Begibt sich in ein Flüchtlingsheim. -Ist nachts unterwegs, obwohl sie kein Geld hat und sich in der Gegend nicht auskennt. -Wird von einer Kontrolleurin beschimpft und von einem Kind rassistisch beschimpft (N-Wort!). -Sucht alle Tätowierer der Stadt auf (nicht vergessen, Yeshi ist 9!) -Tanzt in der Fußgängerzone, um Geld zu sammeln. -Diskutiert nachts mit älteren Jugendlichen. -Rettet Flüchtlingsfrau vor Abschiebung. Charakterisierung der Hauptfigur: – Neun Jahre alt – Als 3 Monate altes Baby aus Äthiopien adoptiert – dunkelhäutig – Trennungs- / Scheidungskind – Kann sehr schnell laufen – Hat keine Freunde – Hat kleinen Sprachfehler – Hat ein Problem mit Zahlen, rechnen – extrovertiert – Vertraut sehr schnell anderen Menschen –> Bis auf den Spleen mit den grünen Turnschuhen, hat Yeshi nichts, mit dem sich Leser*innen mit ihr identifizieren können. –> Yeshi erlebt Abenteuer, die für die Altersgruppe nicht realistisch und m.M.n. nicht altersgerecht sind. Neunjährige würden i.d.R. so nicht handeln. Yeshi hätte, um ins Gesamtbild zu passen, mind. 13 Jahre alt sein müssen. –> Für 8-Jährige agiert Yeshi zu extrovertiert, für 12-Jährige ist sie nicht mehr interessant, da einige Jahre zu jung. Gibt es starke Figuren? – Yeshi wehrt sich verbal gegen rassistische Beleidigungen. – Gibt nicht auf. – Beleidigungen machen sie traurig, sie kann sie aber recht gut wegdrücken. –> Insgesamt wirkt Yeshi aber nicht stark, sondern eher „verpeilt“, unkonzentriert und leichtgläubig, Wie ist die Sprache im Buch? Für Kinder ab 8 Jahren darf die Sprache schon etwas anspruchsvoller sein aber nicht zu viele schwierige Wörter enthalten. Es fällt mir nicht ganz leicht das zu beurteilen. Meiner Ansicht nach ist das Buch sprachlich angemessen. Ich störe mich eher daran, dass Yeshi einen kleinen Sprachfehler hat und manche Worte, wie z.B. „adoptiert“ und „Konzentration“ nicht richtig aussprechen kann, obwohl alle anderen Kinder / Klassenkameraden in diesem Alter das können. Durch die Ich-Form entsteht maximale Nähe und Identifikationsmöglichkeit zur Protagonistin. Bedient die Geschichte Klischees? – Yeshi kann schnell laufen, ist ja kein Wunder, denn da, wo sie herkommt (aus Äthiopien), kommen die schnellsten Läufer her. – Schwarze Flüchtlingsfrau aus Äthiopien stört sich daran, dass eine weiße Frau ein schwarzes Kind adoptiert. – Schwarze / Dunkelhäutige Menschen sind musikalisch und tanzen gerne. Wie werden die Hauptpersonen dargestellt? Entwickeln sich die Hauptpersonen im Lauf der Handlung? Bieten sie die Möglichkeit, sich emotional mit ihnen auseinanderzusetzen, zu identifizieren oder auch zu distanzieren? Leider muss ich hier alle Punkte verneinen. Yeshi erkennt nicht, dass sie falsch gehandelt hat (einfach Weggehen ohne sich abzumelden, später abhauen und auf eigene Faust Lösungen zu suchen) und ihr Schlimmes hätte widerfahren können. Doro reflektiert nicht, dass “braune Kackbohne” ein echt fieses Schimpfwort für ein dunkelhäutiges Mädchen ist. Auch kann man sich m.M.n. nicht von den Protagonist*innen distanzieren, da am Ende alles irgendwie gut wird. Kann die Handlung des Buches Anlass für Gespräche mit den Kindern sein (über Konflikte oder schwierige Situationen)? Das Buch möchte sensibilisieren und sicherlich auch Empathie wecken. Die Protagonistin ist ein dunkelhäutiges Kind, das wegen seiner Hautfarbe diskriminiert und gemobbt wird. Doch der Autorin ist nicht gelungen, dies trefflich genug auszudrücken und darzustellen. Es wird nur beschrieben, was Yeshi passiert. Leider geht die Autorin nicht deutlich genug auf die Auswirkungen ein. Es werden kaum Gefühle geweckt. Die Leser*innen nehmen die Situation auf aber es kommt nicht genug Verletztheit und Traurigkeit rüber, sodass es auch den Leser*innen weh tut. Somit sehe ich das eigentliche Ziel des Buches als verfehlt an. Aufmachung des Buches: – Buntes Cover – sehr Schlicht – Keine Bilder als Auflockerung – Keine Farben überhaupt – Nur Text –> Für die gedachte Altersgruppe kein wirklicher Eyecatcher, wenn man ins Buch blickt und reinblättert. Pädagogischer Faktor: – Yeshi hört wiederholt nicht auf ihre Mutter und begibt sich in große Gefahr. – Yeshi hat zu viele Punkte, die sie in Summe eher schwach und verletzlich darstellen als das gewünschte Gegenteil eines starken Charakters / einer starken Figur. – Das N-Wort wird unnötig verwendet und bietet danach keinerlei Erklärung, warum es nicht verwendet werden soll. – Ein krebskrankes Mädchen hat einen Vater (Arzt), der es die meiste Zeit alleine und auf sich selbst gestellt lässt und trifft sich lieber mit Yeshis Mutter als sich um seine Tochter zu kümmern, die sich alleine fühlt und auch alleine ist. – Doro sieht nicht ein (zumindest erfährt sie keine Entwicklung in dem Punkt) bzw. hört nicht auf Yeshi als Kackbohne zu bezeichnen (obwohl die Mädchen sich langsam anfreunden). – Erwachsene hören nicht zu. – Polizei hört nicht zu und ist abweisend, aggressiv und voreilig anstatt der Freund und Helfer. – Geschichte bedient einige Klischees (siehe Punkt Klischees). Gesamt-Fazit Es gefällt mir, dass die Protagonistin ein Mächen mit dunkler Hautfarbe ist. Das gibt es so in Kinderbüchern noch sehr, sehr selten. Spontan fällt mir jedenfalls auf Anhieb kein solches Buch ein. Yeshi ist zudem adoptiert. Ihre Adoptiveltern sind ihre Herzeltern. Ihre leibliche Mutter nennt sie Bauchmama. Diese Unterscheidung finde ich auch sehr gelungen. Herz- wie auch Bauchmama sind beides Worte, die positive Gefühle in mir wecken, wenn ich an die eine oder die andere Mutter denke. Das Buch will zu viel! Es enthält zu viele Themen und zu viele Abenteuer und das alles mit einem Kind von 9 Jahren als Protagonistin. Mir als geübter und erwachsener Leserin war es zu viel und alles ging zu schnell. Wie mag es dann der Zielgruppe gehen? Die Autorin hätte sich auf ein bis zwei Themen beschränken und die Geschichte darauf auslegen sollen. All die anderen Themen hätten in weiteren Bänden auf- und ausgearbeitet werden können. Damit wäre für jedes Thema auch ausreichend „Zeit“ gewesen, es kindgerecht darzustellen und auch evtl. nötige Erklärungen einbringen zu können. Aufmachung, Inhalt und Themenvielfalt passen nicht zur Altersgruppe 8 – 12-Jährige. Ein Buch, das ich dieser Altersgruppe nicht empfehlen würde.

zurück nach oben