drwarthrop
Ach der Heinz. Man muss ihn einfach lieben. Seien es die absolut brutal-ehrlichen Lebensfragmente, der atonale, didaktisch einmalige Sprachstil oder der über allem liegende Charme des spießigen Landbürgertums. Einfach herrlich! Jedwede Selbstkritik ist dabei fast verletzten real geschildert, ohne reißerisch mit Metaphorik um sich zu werfen, wie es aktuell in Mode zu sein scheint. Stattdessen brilliert Strunks autobiografischer Roman durch fein pointierte, teils dadaistischer narrative, deren einziges Manko die inflationäre Nutzung von abgegriffelten Schlagertexten (auch ohne das Lied zu hören können Ohren bluten) darstellt. Abgerundet wird dieses perfekt abgestimmte Tragikpotpourri aus unfreiwillig zölibertären Akteuren durch eine nahezu nihilistischen geprägte Subjektive, deren sublime Gesellschaftskritik unfreiwillig den sozialwunden Kern einfängt. Die bittere Ironie der menschlichen Natur wird humoristisch fast auf die Spitze getrieben. Diese äußert sich zB durch den derben, hamburger Dialekt (SA MA‘, HAST DU N‘ SCHUSS NICH GEHÖRT?!), den häufigen sexuellen Reinigungen durch Eigenhandkur und damit einhergehendem, übermäßigen Konsum von Kosmetiktüchern und besonders den einfallsreichen, ungeschminkten Charakterzeichnung. Diese wiederum sind Milieutypisch äußerlich, als auch innerlich im Sieb des Systems hängen geblieben, aber beweisen trotz der niederschmetternden, aussichtslosen Situation die Fassung, in der die meisten schon lange das Handtuch geworfen hätten. Die sprichwörtliche Risikoleiter wird voll ausgenutzt. No Risk, no Fun...oder so ähnlich. Ein Heinser, wie er im Buch steht. Bitter, ehrlich, charmant und einfach enorm lustig präsentiert Strunk in nicht einmal 250 Seiten die Geschichte eines einsamen Jungen, verloren im atonalen Dickicht moderner Gesellschaftsabstrusitäten. Mit viel Witz und Charme werden die frühen Jahre des Autors emphatisch verarbeitet, beflügelt evaluiert und narrativ hervorragend verpackt. Das perfekte Rundum-sorglos Paket für die kleinen und großen Revoluzzer. Oder wie Heinz es sagen würde: „Meine Tristesse [ist] mir lieber“.