rebekka
Echte Fälle, echte Urteile, echte Verteidigung. Veikko Bartel ist Strafverteidiger und zeigt in seinem Buch "Mörder" spannende Fälle aus seinem Alltag. Da ist der Finanzbeamte, er ist genauso, wie man sich einen Finanzbeamten vorstellt. Keine Überraschungen, gerades Leben - und dann passiert etwas und er reagiert. Das Urteil mag für einige überraschend sein, es sorgte sicher für Entrüstung, aber der Fall wird so gut erzählt, dass ich das Urteil gerecht empfinde und die Tat nachvollziehen konnte. Aber auch eine Gerichtsverhandlung in Indien, die so ganz anders abläuft als in Deutschland, wird genial dargestellt, ich habe die Hitze förmlich gespürt. Mal geht es um den Fall ganz direkt, dann mehr um die Umstände, warum jemand etwas tut, und immer ist da der Strafverteidiger, der - egal, was sein Mandant grausames getan hat - das Beste für diesen rausholen muss, denn das ist sein Job. Cover: Schlicht gehalten macht es neugierig auf den Inhalt. Alleine das "Mörder" reicht bei mir, um wissen zu wollen, um was es geht! Schreibstil: Immer verständlich, nicht zu juristisch, ich konnte alles gut nachvollziehen. Keine ausufernden, zuviel beschreibenden Sätze, das Buch habe ich ziemlich schnell durchgelesen. Ein sehr lesenswertes Buch, das mich von Anfang bis Ende gefesselt hat. Der Beruf des Strafverteidigers ist sehr interessant, weit gefächert, aber auch grausam und undankbar. Jeder hat in Deutschland das Recht auf eine gerechte Verhandlung! Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, und doch wird gleich beim ersten Fall klar, dass Geld auch eine Rolle spielt - gerade, wenn es darum geht, Gutachter zu beauftragen, die besten Gutachter kosten viel Geld. Dann sind da die Taten: allesamt schlimm, sodass jeder Leser die Höchststrafe fordern würde, und dann kommen die Umstände der Tat dazu und man bekommt dann doch einen anderen Blick auf die Tat. Veikko Bartel fordert den Leser heraus, zu urteilen. Wie hättest Du entschieden? Was hättest Du getan, sowohl als Täter als auch als Richter? Der Autor hat ein unglaubliches Talent für Sprache! Jedes Wort, jeder Satz hatte einen Sinn, alles zusammen, so grausam wie die Taten auch sind, haben sich eingebrannt, weil Veikko Bartel so wunderschön geschrieben hat. Sehr bewegt hat mich auch das letzte Kapitel, in dem sich der Autor offenbart. Er zeigt, dass es Fälle gibt, die ihn belasten, bei denen es schwer ist, jemanden zu verteidigen, wo die Gesellschaft nach hohen Strafen schreit; und doch macht er seinen Job, es gibt nicht nur schwarz und weiß. Ich denke, dass in unserer Zeit zuviele selbsternannte "Richter" durch die Welt und das Internet laufen, die meinen, sich anhand der wenigen reißerischen Aussagen von diversen Medien ein Urteil bilden zu können, und dass es schwer für die meisten Verteidiger ist, Beruf und eigene Meinung zu verteidigen. Dieses Buch zeigt, dass auch Verteidiger Menschen sind und ihnen gebührt unser Respekt, denn niemand weiß, wann er selber mal unbeabsichtigt ausrastet und dann einen Strafverteidiger sucht, der mehr in ihm sieht als die restliche Bevölkerung. Ein einprägendes Buch, welches nicht nur die Tat an sich abhandelt, sondern das "Warum" zu hinterfragen versucht und den Leser dazu bewegt, mitzudenken und zu urteilen.