stefanie aus frei
Das Rumänien Ceaușescus in den Achtzigern wird nachvollziehbar gemacht in starken Sätzen In seinem Debütroman schildert der in Rumänien geborene und bis zur Flucht im Alter von 16 Jahren dort aufgewachsene Autor Andrei Mihailescu, wie ganz normale Durchschnittsbürger, nicht die Mächtigen und nicht die Ärmsten, die Diktatur unter Ceaușescu erlebten. Seine Protagonisten Stefan und Raluca stellen zwei Seiten einer Medaille dar, die – anfänglich gut integriert, er als Journalist, sie als Architektin und Ehefrau eines aufstrebenden Parteimitglieds, mit dem System in Reibung geraten. Mihailescu arbeitet anhand der Handlung überdeutlich heraus, wie leicht es war, aufgrund der großen Willkür plötzlich unter Druck zu geraten – und wie fast unmöglich, diesem standzuhalten. Der Autor lässt seine beiden Figuren aus einer Grenzsituation eine Liebesbeziehung eingehen, von der aus sich die Handlung dann rasant fortentwickelt, spannend, aber kein Krimi. Er schafft es, viel Sachinformation leicht zugänglich als Erzählung zu verarbeiten. Der Roman präsentiert in den ersten beiden Kapiteln das gleiche Geschehen aus zwei verschiedenen Blickwinkeln – wer sich darauf einlässt, wird mit einem tiefen Einblick in das Wesen der vollständigen Kontrolle des Systems durch eine „fiktive Abmachung“ mit den Mächtigen, eine Art Schere im Kopf. Das Buch liest sich insgesamt flüssig, dieser gerade erwähnte Rücksprung wieder zurück zum Anfang hingegen empfiehlt sich aufgrund seiner Komplexität jedoch durchaus für einen vergleichenden Rückgriff auf das bereits gelesene, eine kleine Schwäche. Wer sich jedoch auf diesen Rückgriff einlässt, wird belohnt. Das Buch hat seine Stärken vielleicht nicht in den Metaphern, aber ganz sicher entfaltet es große Bildkraft in etlichen Kernsätzen und –absätzen, die beim Lesen zu weiteren Assoziationen geradezu zwingen und dadurch die Mentalität, die Situation überdeutlich greifbar machen. So entlarvt die Einstellung von Ralucas Ehemann, die Arbeit seiner Frau als Architektin sei zu intellektuell für das proletarische Ideal, schließlich solle sie nicht den ganzen Tag auf Baustellen mit Arbeitern verbringen, die Widersprüchlichkeit der üblichen Phrasen – die Arbeiter dürften wahrlich dem zitierten Ideal entsprechen. Und wie bemerkt Stefan zu dem verbreiteten vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Partei „Wenn du hingegen denkst, du hättest mit ihnen eine Abmachung, dann sind sie in deinem Kopf" – ja, genau das gelingt dem Autor mit diesem Debüt, er gelangt direkt in den Kopf des Lesers, er macht nachdenklich – und neugierig auf mehr davon, sowohl von ihm, als auch von seinem Land. Den teils erhobenen Zeigefinger kann ich dabei sehr gut verschmerzen, da die Botschaften der Handelnden dem Leser nie moralinsauer oder herablassend übermittelt werden.