drwarthrop
Kann Kunst nur durch Leid und Trauer sein volles Potential erreichen? Dieser Frage geht Joey Goebel in seinem Debütroman „Vincent“ (im orig.: Torture the Artist) auf den Grund. Der Roman behandelt dabei den Werdegang des titelgebenden Jungen, der bereits früh Anzeichen kreativ schöpferischen Geistes beweist und damit ins Ziel von „New Renaissance“ fällt. Geheimprojekt eines Milliardärs, der dafür sorgen möchte der Unterhaltungsindustrie durch eine Flut von begabten Künstler wieder den Wert echter Kultur nahezubringen. Dafür wird der achtundzwanzigjährige Harlan Eiffler eingestellt, der mit extrem zynischen und galligen Plattenkritiken die Aufmerksamkeit der Geschäftsleitung erregt hat. Dieser ist nun maßgeblich dafür verantwortlich dafür zu sorgen, dass der junge Vincent kreativ bleibt, in dem er dafür sorgt, dass der Künstler ständig unglücklich bleibt. Die Methoden und Herangehensweisen sind dabei sehr vielfältig... Den Roman zeichnet eine faszinierende und distinktive Diktion aus, die in ihrer Präsenz einzigartige Momente erzeugt. Goebel arbeitet dabei mit überschwänglichen, emotionalen Farben, die sowohl die ambivalenten Beziehungen der Charaktere, als auch das Geschehen erstaunlich realistisch vermittelt. Getragen werden die Ereignisse durch eine perfekt abgestimmtes Zusammenspiel aus Tragik, Spannung, Emotionen und Komödie, die dadurch ab Seite eins faszinieren und polarisieren. Gezeigte Entwicklungen tragen deutlich im späteren Verlauf zu Tage, wodurch sich interessante, als auch nachvollziehbare Retrospektiven ergeben. Zu dem liegt dem Werk eine gewisse Ironie zu Grunde, die vor allem durch den fehlenden Inhalt der herrschenden Kunst im Kontrast zu den meisterhaften Werken Vincents gestellt wird und so eine präsente, moderne Kritik entwirft. In geradezu hingebungsvoller Detailarbeit vermag es der Autor die seelenlose Leere und Stupidität der alltäglichen Unterhaltung einzufangen und dem Leser schamlos, ungeschminkt zu präsentieren. Somit kritisiert der Autor nicht nur, sondern schafft durch sein eigenes Werk einen Gegenpol zur geistig entleerten Kunstlandschaft. (Fun fact am Rande: das Buch, als auch der Autor sind ausschließlich durch den und im deutschsprachigen Markt berühmt, was ungefähr so ist, als wäre Bennedict Wells nur in Spanien erfolgreich. WTF?!) Hier ein Satz für Diogenes zum draufdrucken: Joey Goebel lesen ist wie Crack rauchen; Extrem suchterzeugend. Ein einfühlsamer, wichtiger und rundum gelungener Roman, der zu recht einem der in meinen Augen wichtigsten Gegenwartsliteralisten zu seinem aktuellen Ruhm verholfen hat. Sympathische, reale Charaktere, flamboyante Beobachtungsgabe und eine über alle Maßen hinaus brillante Sprache. Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich dieses Buch liebe! 10/5 Punkten.