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drwarthrop

Posted on 23.5.2019

Wie der Titel schon verrät geht es um eine Reality-Show, deren Schauplatz und Inhalt einem Konzentrationslager gleichkommt. Die Gefangenen sind „normale“ Personen, die durch Razzien eingesammelt werden; der Grund dafür ist unbekannt. Im Lager selbst stehen sie dauerhaft unter Beobachtungen durch Kameras und die so genannten „Kapos“, vom Sender bezahlte, unterprivilegierte, junge Schläger, deren einzige Aufgabe es ist Angst und Gewalt herrschen zu lassen. Trotz der gewalttätigen und moralisch unterwürfigen Konzepte sind die Einschaltquoten gigantisch, wodurch eine Absetzung unwahrscheinlich wird. Selbst Politiker und Aktivisten schauen zwar erschreckt, aber untätig zu. Eine Gefangene, CZX 114 erreicht schnell die Aufmerksamkeit des Publikums, da sie im Gegensatz zu ihren Mithäftlingen keine Anzeichen des Missmuts oder der Aufgabe zeigt. Einer junge Kapo Anwärterin namens Zdela fällt dieses sonderbare Verhalten auch auf und nachdem sie es nicht schafft den Willen der Gefangenen durch Gewalt zu brechen, entwickelt sich eine gewisse Zuneigung, die immer mehr in emotionale Obsession ausartet. Amélie Nothomb erreicht mit vielschichtiger und feiner Charakterzeichnung eine erdrückende, grausame und niederschmetternd Stimmung, die außerordentlich gut eine erniedrigende, seelenraubende Geschichte untermauert. Dabei setzt die Autorin nicht auf explizite, brutale Diktion, sondern entfaltet die Unmenschlichkeit in Feinheiten sozialer Interaktion, als auch in den Esprit- und Rückgradlosen Reaktionen der Zuschauer. Die Hilflosigkeit und Wut, die beim Leser dabei entstehen werden durch geschickte Perspektivwechsel geleitet, die mal mehr mal weniger den Roman durchziehen. Gerade in diesem Situationen fällt die schmerzliche, privilegierte Mauer stark auf, die erst fällt nachdem der Mensch jedweder Art von Würde enthoben wurde und nur noch den Nachbarn als festen Bezugspunkt hat, um nicht verrückt zu werden. Ein tragisches und zugleich epochales Machwerk über die Abgründe menschlicher Grausamkeit und die gleichzeitige Präsenz von unermesslichem Mut im Angesicht des Todes.

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