Wuschel
Beschreibung: Die 15 Jahre alte Julia lebt 1988 im Osten von Berlin, direkt an der Mauer. Durch ihre Nachbarin „Oma Ursel“ entwickelt sie eine innige Brieffreundschaft mit deren 13 jährigen Enkelin Ines, welche im Westen von Berlin lebt. Weder Julias Vater, noch Ines Mutter dulden diese Freundschaft, weshalb beide alles dafür tun, dass diese geheim bleibt, denn neben den üblichen Alltagsproblemen von Jugendlichen, kommen die beiden Mädchen einem Geheimnis auf die Spur. Dem Grund, weshalb Ines Mutter nichts mehr mit dem Staat zu tun haben möchte, aus dem sie einst floh – und noch viel mehr. Meinung: Das Buch ist komplett in Briefform verfasst. Einerseits käme dies vermutlich glaubwürdiger rüber, wenn man mehr auf die direkte Rede verzichtet hätte – denn wer kann sich schon etliche Dialoge im Detail merken?! Auf der anderen Seite, durfte ich bei Jugendbüchern in Tagebuch- oder Briefform feststellen, dass dies häufiger vor kommt. Schließlich ist so das Lesen und Aufnehmen des Geschehenen für den jugendlichen Leser einfacher, weswegen ich gar nicht meckern möchte – es jedoch auch nicht unerwähnt lassen möchte. Die Briefe zwischen den beiden Mädchen fand ich meist recht unterhaltsam, doch aufgrund der Hintergründe machte sich gelegentlich auch ein beklemmendes Gefühl breit. Wer all dies nicht mit erlebt hat, kann es nur schwer nachvollziehen wie es damals war, aber mir geht es trotz allem immer wieder unter die Haut. Heute finde ich es schon extrem schwer, wenn man seine Meinung – egal wie diese ausfällt – laut auszusprechen, denn es gibt immer einen, der einen falsch oder gar nicht versteht. Dennoch sind die Konsequenzen dafür weniger weit reichend wie damals. In dieser Zeit musste man stets damit rechnen, dass man womöglich noch im Gefängnis landete. Da interessierte es keinen ob es ein Missverständnis war oder nicht. Da der Vater von Julia zu allem Übel auch noch Polizist in der DDR war, macht es die Sache nicht wirklich einfacher. Ihr merkt, ich konnte mich recht gut in die Geschichte und die Charaktere versetzen - auch ohne eigene Erfahrungswerte. Habe des öfteren mit gebangt und Fingernägel gekaut. Dieses Buch zeigt sehr gut auf, was damals alles schief lief. Sehr informativ ist außerdem das beigefügte Glossar sowie die Geschichte Berlins. Vieles weiß man vielleicht noch aus dem Geschichtsunterricht und bei anderen Anekdoten denk man sich einfach nur: Wer hätte das gedacht. Der Schreibstil war im allgemeinen einfach und jugendlich – authentisch zur damaligen Zeit. Entsprechend schnell rauschte ich auch über die Seiten. Zudem wird es irgendwann sogar so spannend, dass man gar nicht mehr aufhören will zu lesen. Man entwickelt seine ganz eigene Theorie zu dem großen – im Klappentext angepriesenen – Familiengeheimnis und möchte entsprechend dran bleiben um es zu lüften. Entsprechend gut gefiel mir auch das Buch, da ich alles geboten bekam. Geschichte, Unterhaltung und Spannung. Zwar fehlte die Schoki und der Tee, aber die hat ja der typische Bücherwurm sowieso irgendwo gebunkert. Das Highlight war für mich dann das Ende, da man buchstäblich von Glücksgefühlen überschüttet wird. Vielleicht könnte man sagen: Ende gut, alles gut. Doch das fände ich dann schon extrem weit her geholt, denn aus meiner Sicht wiegt dieses Geheimnis so schwer, dass man es nicht einfach auf die leichte Schulter nehmen kann. Hier sind der Fantasie des Lesers keine Grenzen gesetzt was im verlauf der Zukunft noch passieren könnte, da die Geschichte dies nicht mehr preis gibt. Dennoch konnte ich das Buch, mehr oder weniger, beruhigt zuschlagen, wenn auch – wie so oft – erschüttert von den damaligen Zuständen. Fazit: Ein schönes Jugendbuch, das einem die prekäre Situation von Ost- und Westdeutschland vor Augen führt, aber dennoch unterhaltsam und spannend geschrieben sowie gestaltet ist.