sbs
Daniel besucht seinen Großvater auf dem Friedhof und merkt, dass ein alter Mann in der Nähe immer wieder seinen Blick sucht. Auch wenn es Daniel etwas seltsam erscheint, spricht er den Mann an und es entsteht eine besondere Bekanntschaft. Der alte Josef gibt ihm ein Tagebuch, das sein Leben im zweiten Weltkrieg dokumentiert. Josef war ein Edelweißpirat, ein Widerstandskämpfer – doch was genau soll Daniel damit anfangen? Wie Josef „Gerle“ lebte und welchen Bezug es zur Gegenwart gibt, erfährt der Leser sehr eindrucksvoll. Edelweißpiraten waren mir vor der Lektüre um ehrlich zu sein kaum ein Begriff. Gehört hatte ich mal von ihnen, aber eine konkrete Vorstellung hatte ich nicht. Man kennt die Weiße Rose gut, aber die Edelweißpiraten? Ich habe zumindest erst durch die Lektüre ein gutes Bild bekommen, dass mich so bewegt hat, dass ich weitere Recherchen angestellt habe und es eigentlich ziemlich überraschend finde, dass ich so wenig im Vorfeld wusste. Es lohnt sich definitiv sich mit der Jugendbewegung zu beschäftigen. Den Aufbau des Buches mit seinen beiden Zeitebenen fand mich sehr gelungen. Einerseits lernt man Gerle in den Tagebüchern kennen. Wie er vor seinem Zusammentreffen mit den Edelweißpiraten war, wie sich die Jugendtruppe entwickelte und was sie erlebte. Wie sie Widerstand leisteten, wie Zweifel an den Aktionen entstanden und warum Gewalt immer und immer wieder in Gewalt mündet. Es gibt Folterszenen, die einem das Blut fast in den Adern gefrieren lassen, aber auch ganz viel Zusammengehörigkeitsgefühl und Freundschaft. Auf der zweiten Ebene lernt man Gerle als alten Mann kennen, der einem Jugendlichen auf dem Friedhof begegnet und eine tiefgehende Bekanntschaft aufbaut, die den Leser immer wieder mal durchatmen lässt, aber auch das Interesse des Lesers weckt, weil man sich fragt, warum Gerle ausgerechnet den 16-jährigen Daniel anspricht. Der Schreibstil ist sehr flüssig und leicht verständlich. Durch das Tagebuch ist mal Gerle extrem nah und auch seine Freunde schließt man mehr und mehr ins Herz. Die Sprache des Jugendbuches ist leicht verständlich, ohne Erwachsene zu langweilen. Das Nachwort hat es auch noch mal in sich, ist informativ und hat mich nochmal bewegt. Ein Buch, das mich auch mit seinen Vorlegungen zu Mut und Verantwortung bewegt hat, nachdenklich machte und mich die Frage stellen lässt, wie so junge Leute merken konnten, dass vieles falsch lief zu der Zeit, während die Erwachsenen teilweise von nichts etwas gewusst haben wollen. Die Grauen in Gänze waren vielleicht nicht zu erahnen, aber in Grundzügen muss eigentlich jeder gemerkt haben, dass da etwas ganz und gar falsch lief. Dieses Buch sollte in der Schule zur Pflichtlektüre gehören, denn neben den geschichtlichen Aspekten und der allgemeinen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, sind auch Themen wie Freiheit, Freundschaft und Zusammenhalt lebendig und greifbar geschildert. Zudem bietet es extrem viel Diskussionsstoff, ob in der Schule oder im Privaten. Wer Geschichte nicht nur kennen, sondern fühlen möchte, ist mit dem Buch gut beraten.