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stefanie aus frei

Posted on 16.4.2019

Extrem fordernd, extrem heftig und extrem gut Man hatte mich gewarnt vor diesem Buch, es sei kein „Wohlfühlbuch“. Stimmt; ich habe im Vergleich zu diesem Buch aus dem Genre anspruchsvoller Literatur sogar tatsächlich schon harte Thriller gelesen, die dagegen harmlos wirken. Es ist kein „Coming-of-Age”-Buch, keine Familiensaga (obwohl beides auch „stattfindet“), am ehesten eine Hymne an die Freundschaft, an die Liebe auch jenseits von romantischen Beziehungen – und eine Darstellung der Grenzen beider. Der Leser begleitet vier Männer ab dem College, die trotz aller Unterschiede beste Freunde werden. Da sind Malcolm und JB mit ihren wohlhabenden fürsorglichen New Yorker Familien und da sind die die zugezogenen Willem und Jude, der jüngste von allen. Sie begleiten einander bei der Suche nach ihrem Platz im Leben, wollen Künstler werden, Architekt, Anwalt und Schauspieler, erproben Beziehungen, Drogen, Lebensmodelle, scheitern, haben Erfolge, streiten, helfen einander, springen über ihren Schatten, sind glücklich, erfahren Leid. Vor allem aber erfahren sie Grenzen: nicht immer sind alle Verletzungen heilbar, die Vergangenheit kann so schlimm sein, dass sie zerstört. Sie kann so hart sein, dass es kaum zu ertragen ist. Ich hatte das vorher schon als Warnung von anderen bekommen, einige bezeichneten dieses Buch sogar als mögliches „Triggerbuch“ für Opfer von Gewalt und Menschen mit Neigung zur Selbstverletzung. Ich empfand dieses Buch anders: mich nahmen die Erlebnisse in der Gegenwart deutlich stärker mit (eher ein „das auch noch“ angesichts der nicht mehr änderbaren Vergangenheit); nie zuvor hätte ich eine Person in einem Buch gerne verprügelt (Caleb). Selten habe ich etwas deutlicher als Plädoyer gegen Selbstverletzung empfunden, einfach, weil ich hier alles so deutlich nachvollziehen konnte (auch wenn sich jetzt ein Betroffener vielleicht im Vergleich zurückgesetzt fühlt – es geht mir um die Gründe und das Mitleiden des Umfelds). Noch nie fand ich die Auswirkungen auf das Umfeld so gut vermittelt. Ich bin tatsächlich in der Nacht nach dem Buch aufgewacht und habe dann bestimmt eine Stunde einfach dagesessen und weiter überlegt. Wie weit darf eine Intervention gehen – wo endet der freie Wille (genial, dass es hier im Buch selbst Vergleiche gibt). Wie fantastisch sind die Rollenmodelle geschrieben, wie grandios ist der Aufbau, was für ein wunderbarer Kunstgriff sind die Perspektivwechsel, wie viel Raum gibt die Autorin jeder ihrer Personen, selbst den Nebenfiguren, wie wunderbar sind die verschiedenen sexuellen Ausrichtungen und Hautfarben thematisiert (nämlich: selbstverständlich! Quasi nebenbei; wichtig, aber nicht um ihrer selbst willen). Die von den meisten als „hart“ angesehenen Teile kommen eher im Anfang, häppchenweise (auch das genial, mit Vorausblicken) – ich empfand die letzten drei Abschnitte als heftiger, hätte mit den Wendungen nicht gerechnet, auch wenn ich eigentlich mich vorher schon gewappnet glaubte. Ein Buch, das jede einzelne seiner vielen Seiten brauchte. "...the only trick of friendship, I think, is to find people who are better than you are - not smarter, not cooler, but kinder, and more generous, and more forgiving - and then to appreciate them for what they can teach you, and to try to listen to them when thy tell" p 212

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