Profilbild von lisseuse

lisseuse

Posted on 15.4.2019

Indem Frank durch Alices Blick beschrieben wird, schafft der Roman es geschickt, keine Diagnose zu stellen und auf jegliche Einordnung von Franks Verhalten zu verzichten. So entsteht das liebevolle und vielschichtige Bild eines Jungen, der trotz allem in vielem eben noch ein Kind ist. So oft er seine Impulse nicht unter Kontrolle hat, so oft gleicht er dies durch besonders aufmerksame Gesten gegenüber anderen aus. Frank ist gleichzeitig unheimlich kalt und direkt und doch zugewandt und liebevoll. Alice selbst ist im ganzen Buch immer deutlich zurückgenommen und steht nie wirklich im Zentrum der Geschichte, obwohl der ganze Roman von ihr als Ich-Erzählerin geschildert wird. Sie kommt und geht als kurzes Zwischenspiel in das Leben der Bannings. Der Roman lässt sich mit der Charakterisierung seiner Figuren Zeit, denn Alice braucht etwas, um die Menschen um sich herum besser kennenzulernen und einzuschätzen. Als es dann endlich zum immer wieder angedeuteten Eklat kommt, nimmt die Handlung dann fast zu schnell an Fahrt auf. Womit möglicherweise reales Leben sogar sehr treffend geschildert wäre. So erfahren wir zwar einiges von der Vorgeschichte aller Figuren, aber das Ende ist abrupt und vieles wird nicht aufgelöst. So schön das Buch ansonsten auch ist und so begeistert ich es gelesen habe: Dieser Schluss erschien beinahe, als hätte der Autorin eine überzeugende Idee dafür gefehlt. Möglicherweise liegt das aber auch daran, dass ich genau diese Art Ende einer Erzählung in Romanen so wenig mag wie bei Serien, die plötzlich abgesetzt werden. Denn es bleibt ein fahles Gefühl der Leere, das höchst unbefriedigend ist.

zurück nach oben