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elisabethdietz

Posted on 13.4.2019

Dieses Buch ist nichts Geringeres als eine erzählerische Offenbarung. Es geht um eine Wohnzimmerecke. Auf 150 Doppelseiten zeigt Richard McGuire immer denselben Ort aus immer derselben Perspektive. Was sich ändert, ist die Zeit, aber auch die verläuft nicht linear, sondern öffnet sich in Fenstern. Im Jahr 1915 ist das Wohnzimmer still und leer, 1970 liegt lang gestreckt ein Mädchen auf dem Teppich und liest, 10.000 v. Chr. ruht nicht weit von ihr ein Büffel. Über mehrere Seiten entsteht im Hintergrund die Landschaft, auf der das Haus später einmal stehen wird, und in 1932, 1923, 2008, 1996 suchen Menschen nach Dingen, die sie verloren haben: Schlüssel, Regenschirm, Verstand, Beherrschung. Geschichten spiegeln sich, Motive werden angedeutet und Seiten später wieder aufgegriffen. Vor dem großen und gleichgültigen Auge der Zeit haben alle Ereignisse das gleiche Gewicht: der Tod eines Menschen, ein gerissener Schnürsenkel, ein Glas Limonade, ein Dinosaurier. Im Betrachter löst dieses Buch einen großen Frieden aus.

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