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Anka Willamowius

Posted on 9.4.2019

Paulo Coelho nimmt uns mit zurück in die Zeit der Flower Power und Hippies. Er verarbeitet teilweise autobiografische Inhalte zu einem Roadtrip im Jahr 1970. Wir begleiten den jungen Brasilianer Paulo, der gern Schriftsteller werden möchte, zunächst durch verschiedene Länder Südamerikas, bis dieser schließlich im drogengeschwängerten Amsterdam anlangt. Dort schließt er sich einer Gruppe Abenteurer an, die sich mit dem „Magic Bus“ auf eine Fahrt Richtung Kathmandu in Nepal aufmacht. Der Bus erscheint als eine Mischung aus „Magical Mystery Tour“ (dem Beatles-Film aus dieser Zeit) und Rainbow Tours (wegen des geringen Komforts des umgebauten Schulbusses), und das für den Spottpreis von 70 Dollar. Auf die Idee zu dieser Reise ist Paulo eher zufällig gekommen, nämlich als er die hübsche Holländerin Karla in Amsterdam kennenlernt. Die Frau fasziniert ihn, was unter anderem daran liegt, dass er sonst niemanden in der fremden Stadt kennt. Er ahnt nicht, wie dringend Karla einen Reisegefährten für die weite Fahrt sucht. Jeder der Mitreisenden aus aller Welt hat seinen eigenen Grund für diese Tour, sein ganz eigenes Ziel. Die einen sind von Zuhause ausgerissen, die anderen sind auf einem inneren Weg zu Erleuchtung, Selbsterkenntnis oder neuem Sinn. Nepal steht für Meditation, asiatische Weisheit, Bewusstseinserweiterung und einfaches Mönchsleben. Angetrieben von Vorbildern wie den Beatles, die 1968 zum Maharishi nach Indien geflogen waren, um transzendentale Meditation zu lernen, wollen auch die Hippies im Magic Bus den Buddhismus kennenlernen, freie Liebe und einfaches Leben in Frieden ohne die Restriktionen der Elterngeneration verwirklichen, sich selbst finden. Dass dabei auch Drogen wie LSD zu Hilfe genommen werden, versteht sich. Die selbstbewusste, aber kühle Karla ist ferner auf der Suche nach der Liebe, der Liebe zu einem Mann, zu sich selbst und der kosmischen Liebe zu allen Menschen auf der Welt. „Sie lauschte angestrengt in sich hinein, für den Fall, dass Gott sich an sie wandte, um mit ihr zu reden. Nachdem sie sich von der christlichen Kirche entfernt hatte, machte sie sich daran, nacheinander im Hinduismus, Taoismus, Buddhismus, in afrikanischen Kulturen und bestimmten Yogaschulen nach einer Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens zu suchen. Ein Dichter hatte vor vielen Jahrhunderten gesagt: ‚Das Licht des Lebens erfüllt das ganze Universum. Das Feuer der Liebe brennt und ermöglicht Erkenntnis.‘“ (S. 63) Authentisch und nahegehend schildert Coelho in seinem Roman, wie der Protagonist Paulo in Südamerika unschuldig von der Polizei festgenommen, verhört und gefoltert wird. Dies beruht auf eigenen ähnlichen Erlebnissen, wie aus der Nachbemerkung des Autors zu erfahren ist, so dass der Schrecken sich echt anfühlt. Insgesamt schildert Coelho, der 1947 in Brasilien geboren wurde, seine eigene Jugend. 1970 war er selbst 23 Jahre alt. Weniger gelungen erscheint mir allerdings der Rest des Roadtrips. Die einzelnen Stationen erscheinen wahllos aneinander gereiht, es passiert – mit Ausnahme der Verhaftung – äußerlich nicht viel, so dass es zu Längen kommt. Die Geschichte legt den Fokus auf die inneren Vorgänge der Personen. Hier scheint aber eine deutliche Verklärung der Vergangenheit in der Erinnerung des Autors eingesetzt zu haben. Die Sinnsuche der Hippies, die zu ihrer Zeit mit großer Berechtigung und Vehemenz aus bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen heraus entstanden ist, etwa der Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg, verkümmert zu abgedroschenen Phrasen, die ich an anderer Stelle schon deutlich besser gelesen habe. Wie ein LSD-Trip sich anfühlt, haben wir alle schon hundertmal an anderer Stelle erzählt bekommen, das ist nicht neu. Mitgerissen hat mich der Roman nicht, obwohl ich sehr vertraut bin mit der Musik von Woodstock, den Beatles und den Themen dieser Zeit. „Wer aus Liebe handelt, der wird auf allen seinen Wegen einen unsichtbaren, wohlwollenden Schutz genießen und in schwierigen Augenblicken Ruhe bewahren können. Wer wirklich liebt, wird alles geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, sich nur die Anwesenheit des geliebten Menschen an seiner Seite wünschen, das Gefäß des Lichts, die Schale der Fruchtbarkeit, den Schein, der den Weg erhellt.“ (S. 264) Vielleicht kommt dieses Buch zu spät. Die Hippie-Bewegung ist vorbei. Die Erinnerung an sie ist 50 Jahre später zu rosarot gefärbt, um die Leidenschaft dieser Zeit wieder auferstehen zu lassen. Was bleibt, sind Poesiealbumsprüche. Was in Coelhos berühmtem Buch „Der Alchimist“ noch mystisch und bezaubernd als Lebensweisheit einer fernen Welt rüber kommt, wirkt hier erstarrt und blutleer. Schade. Sinnsuche der 68er Generation in abgedroschenen Phrasen, rosarote Erinnerung an die vergangene Jugendzeit des Autors. Das hat Coelho schon mal deutlich besser gemacht.

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