Anka Willamowius
Die Idee, dem Ernährungskompass ein entsprechendes Kochbuch an die Seite zu stellen, fand ich super! Der Ernährungskompass hat mich mit seiner umfassenden, nachprüfbaren Information und Systematik total überzeugt. Ich habe das Kochbuch sofort ausprobiert. Um es gleich zu sagen: Das Buch hätte man sich sparen können. Die Rezepte im Kochbuch sind nach Tageszeiten (Morgens, Mittags, Abends) gegliedert. Bas Kast erläutert, dass es einen großen Unterschied macht, zu welcher Tageszeit wir welche Nährstoffe essen, da wir Kohlenhydrate z.B. morgens besser tolerieren als abends. Das Konzept ist einleuchtend. Als Antwort auf die Frage, „Ja, herrje, Bas, was kann man denn heutzutage überhaupt noch essen?“ (S. 36) ist im Kochbuch eine Ernährungsampel enthalten (auch auf der vorderen Pappumschlagseite zum Ausklappen). Grün gekennzeichnete Lebensmittel sind empfehlenswert, rot gekennzeichnete sollte man meiden. Die Aufzählung der Nahrungsmittel ist erfreulich ausführlich, so steht im grünen Bereich nicht einfach „Gemüse“, sondern es werden Gemüsesorten aufgezählt. Das ist recht übersichtlich. Vor den Rezepten steht ein Textteil, in dem Bas Kast erklärt, wie dieses Kochbuch entstanden ist (Leseranregung) und eine Schnellzusammenfassung des Ernährungskompasses gibt, insgesamt auf über 30 Seiten. Für mich persönlich hätte es dieser Zusammenfassung nicht bedurft. Ich hab das andere Buch schließlich gelesen. Und die Zusammenfassung allein ist deutlich zu kurz, um die wichtigsten Informationen zu verstehen, wenn man den Ernährungskompass nicht gelesen hat. Doch das ist Geschmackssache. Genau hier ist aber auch schon Schluss mit Bas Kast, der als Hauptautor des Kochbuchs aufgeführt wird. Er sagt in der Einleitung ganz klar, dass er auf die Leserfrage nach Rezepten schlicht nichts vorzuweisen hatte. Er sei in der Küche halt Amateur (S. 12). Mit anderen Worten: Die Rezepte, die den Hauptteil dieses Buches ausmachen, wurden von der Co-Autorin Michaela Baur entwickelt. Bas Kast hat wohl danach mal mit drüber geschaut. Daher verwundert es nicht, dass die Darstellung der Rezepte so gar nicht zu dem Ton passt, der mir im Ernährungskompass so gut gefallen hat. Der Ernährungskompass zeichnet sich aus durch absolute Klarheit und den Ansatz einer „No-Bullshit-Zusammenfassung“ (S.11), wie Bas Kast es in der Einleitung zum Kochbuch nennt. Genau das ist im Kochbuch leider verloren gegangen. Ich empfinde das als Mogelpackung und Geschäftemacherei mit der Marke „Ernährungskompass“, zumal der praktische Nutzen des Kochbuchs gering ist. Das größte Manko sind aus meiner Sicht die Bilder. In diesem Kochbuch wurde ersichtlich viel Wert auf die Fotografien gelegt, der Eifer jedoch an völlig falscher Stelle verpulvert. So gibt es oft stimmungsvolle, ganzseitige Bilder, z.B. von Bas Kast, der genießerisch vor einem Teller mit rohen Hülsenfrüchten sitzt (S. 9). Aber es gibt zu sehr vielen der Rezepte KEINE Abbildung!! Das geht für ein modernes Kochbuch gar nicht. Der berühmte Food-Porn-Effekt, der einen entzückt und mit wässerigem Mund durch das Kochbuch blättern lässt, bereits planend, wann man all das Leckere nachkochen könnte, tritt leider nicht ein. Die ganze optische Aufmachung hat mir so gar keine Lust zum Kochen gemacht. Es sind auf jeder Rezeptseite wohlkomponierte Bilder, aber bei einem Müslirezept mit Zimt sind z.B. einige versprengte Prisen Zimt abgebildet statt des Müslis selbst. Was das soll, verstehe ich wirklich nicht. Die Rezepte – zumal die ohne Bilder! - hätten deutlich klarer und informativer sein müssen. Es fehlt jegliche Angabe zum Nährwert der Gerichte, es gibt also weder eine Angabe zu Kalorien, noch zu dem Anteil an Fett, Kohlenhydraten, Ballaststoffen o.ä. Das könnte ich zur Not noch unter dem Aspekt verschmerzen, dass Bas Kast betont, seine Vorstellung von gesunder Ernährung basiere gerade nicht auf dem Kalorienzählen. Es fehlt jedoch auch jede Angabe darüber, wie lange die Herstellung eines Gerichts insgesamt dauert. Wie sich bei meinem Probekochen herausgestellt hat, kam ich auch mit den Garzeiten nicht hin, die teilweise sehr vage angegeben waren. Gleiches gilt für die Mengenangaben. Die Angabe, dass alle Rezepte (soweit nicht anders angegeben) für 4 Personen gedacht sind, wird ungeschickt im Textteil versteckt. Positiv ist, dass keine allzu ausgefallenen Zutaten verwendet werden. Auffällig ist aber der „Gewürzspleen“ von Michaela Baur, die im Klappentext „Gewürzsommelière“ genannt wird. Ich liebe Gewürze, aber ich bin eine berufstätige Frau. Und bei der Empfehlung, meinen Kardamom nur selbst aus ganzen Kapseln zu mörsern (z.B. S. 43), hört meine Geduld einfach auf. Es ist ein guter Tipp, aber es wäre schön gewesen, wenn außer der Angabe von ganzen Kapseln alternativ auch die Menge von fertig gemahlenem Kardamom angegeben worden wäre. Gleiches gilt für die Verwendung von Frischhefe, bei der keine alternative Menge von Instanthefe angegeben wird (S. 58). Meine Küche ist gut ausgestattet, aber einen Mörser besitze ich nicht, und bei der Verwendung eines Fleischthermometers (S. 96!) – obwohl das ganze Buch nur vier Fleischrezepte enthält – fühlte ich mich etwas veräppelt. Manche der Zutatenangaben fand ich seltsam, z.B. „100 g gekochte Kidneybohnen“ (S. 101). Sind das solche aus der Konserve? Oder sollte ich sie vorher selbst kochen? Dann wäre es nett gewesen, das im Rezept zu erwähnen (Zeitfaktor!). Wie viele getrocknete Kidneybohnen zum selbst kochen benötige ich denn, damit dabei 100 g gekochte herauskommen? Gleiches gilt für „Apfel- oder Birnenmus“ (S. 47). Wo kauft man denn Birnenmus, so dass es nicht als Industrienahrung gilt, im Babygläschen? Ärgerlich finde ich auch die Verwendung von Kleinstmengen von Zutaten, die man nur in größeren Mengen kaufen kann, wie „2 Stiele Thymian“ (S. 106). Der Rest verdirbt leicht. Oder unter dem Rezept steht „mit frischer Petersilie servieren!“ (S. 141), ohne dass die Petersilie in der Zutatenliste steht. Manche Mängel scheinen Kleinigkeiten zu sein, in der Gesamtschau entsteht bei mir aber der Eindruck, dass das Kochbuch für die praktische Anwendung nicht genug durchdacht und ausprobiert wurde. Das führt zu dem frustrierenden Ergebnis, dass ein Rezept nicht beim ersten Mal gelingt. Enttäuschend! Wer gut kochen kann, braucht dieses Buch nicht. Wer kein Gourmetkoch ist, den werden die vagen Rezeptangaben frustrieren. Das Buch macht keine Lust aufs Kochen.