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sinnundverstand

Posted on 3.4.2019

Scharf, entlarvend - und seltsam heiter stimmend: Es gilt als Edith Whartons bösartigstes Buch. Und in der Tat wecken ihre Protagonist*innen keine große Sympathie. Ein großartiges Porträt der gehobenen Gesellschaft im New York der 1920er Jahre, die in Themen und Zwängen der unseren mitunter verblüffend ähnlich scheint. Niemand spricht wirklich miteinander, wohl aber alle übereinander. Niemand teilt sich mit seinen Gefühlen und Gedanken mit, glaubt aber genauestens zu wissen, was der andere denkt und fühlt. Und liegt meist schrecklich fehl damit. Ich finde es immer wieder faszinierend, welche gesellschaftlichen Systeme Menschen sich ausdenken, um Macht auf andere auszuüben und sich selbst davon abzuhalten, einem eigenen Lebensentwurf zu folgen und Verantwortung für diesen zu übernehmen. Es ist viel von Freiheit die Rede, man fühlt sich gern modern und doch wird jede Regung von Freiheit und Selbstbestimmung geahndet. Edith Wharton ist eine gute Beobachterin und, wiewohl vermutlich selbst durchaus Teil dieses Systems, nimmt sie einen als Leserin zur Seite und man betrachtet mit ihr das leise, in sich desaströse Geschehen.

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