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Thomas Rehehäuser

Posted on 16.3.2019

Ein Buch wie aus ein anderen Gedanken-Welt. Es entführt einen richtig in neue Denk-Räume. Byung-Chul Han weist auf Dinge hin, die ich erst durch ihn sehen konnte. Hier ein kleines Beispiel: » Die allgemeine Entzeitlichung führt dazu, daß temporale Abschnitte und Abschlüsse, Schwellen und Übergänge, die sinnbildend sind, verschwinden. Aufgrund der fehlenden starken Artikulation der Zeit entsteht auch das Gefühl, daß die Zeit schnelelr vergeht als früher. Dieses Gefühl wird ddadurch verstärkt, daß Ereignisse schnell einander ablösen, ohne sich tief einzuprägen, ohne Erfahrung zu werden. Aufgrund der fehlenden Gravitation werdendie Dinge nur noch flüchtig gestreift. Nichts fällt ins Gewicht. Nichts ist einschneidend. Nichts ist endgültig. Es entstehen keine Einschnitte. Wenn es nicht mehr möglich ist, zu entscheiden, was von Bedeutung ist, so verliert alles an Bedeutung. Aufgrund der Überzahl der gleichwertigen Anschlußmöglichkeiten, d. h. der möglichen Richtungen, werdenSinge selten zum Abschluß gebracht. Das Abschließen setzt eine gegliederte, organische Zeit voraus. Innerhalb eines offenen, endlosen Prozesses kommt dagegen nichts zum Abschluss. Unfertigkeit ist Dauerzustand.« Und es gibt noch sehr viel mehr dieser Gedanken. So führt er treffend aus, dass unsere "Gangart" ein Maschieren ist, wir gehen stets auf ein Ziel zu. Gemächliches Gehen oder pilgern gibt es, wenn überhaupt, nur zur Erholung, nicht als Handlung an sich. So schreibt er treffend über den Unterschied vom Pilger und Touristen: »Der Weg, der den Ausgangsort vom Zielort trennt, ist auch ein Intervall. Er besitzt eine reiche Semantik wie der Ort selbst. Der Pilgerweg z. B. ist kein leerer Zwischenraum, den es so schnell wie möglich zu durchqueren gälte. Vielmer ist er konstitutiv für das zu erreichende. Dem Unterwegs-Sein kommt hier viel Bedeutsamkeit zu. Das Gehen bedeutet Buße, Heilung oder Dank. Es ist ein Gebet. Der Pilgerweg ist kein bloßer Durchgang, sondern ein Übergang zu einem Dort. Zeitlich ist der Pilger unterwegs zur Zukunft, in der das Heil erwartet wird. Er ist insofern kein Tourist. Dieser kennt keinen Übergang. Überall ist Hier und Jetzt. Der Tourist ist nicht unterwegs im eigentlichen Sinne. Wege verarmen zu leeren Durchgängen, die nicht sehenswürdig wären. Die Totalisierung von Hier und Jetzt entkleidet die Zwischenräume jeder Semantik. Es kennzeichnet die Erfahrung heute, daß sie sehr arm an Übergängen ist.« Es ist schwer über dieses Buch nicht zu schwärmen. In unserer Kultur ist Zeit = Geld. Ein Grund mehr die Gedanken von Byung-Chul Han zu lesen.

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