carsten
Der englische Titel Prisoners of Geography ist auch nicht viel sachlicher als der deutsche. Leider erfüllt das Buch die Erwartungen des Lesers nicht. In zehn Kapiteln geht der Autor auf verschiedene Regionen der Welt ein und fasst in verständlicher Art die früheren und aktuellen Konflikte der jeweiligen Politik zusammen. Dass diese auch von der Geographie beherrscht wurden und auch immer noch werden, dürfte klar sein. Viel Raum beispielsweise nimmt die These von der nordeuropäischen Tiefebene ein (siehe auch wikipedia: European Plain), jenem Keil flachen Lands zwischen Berlin und Moskau, vor dem sämtliche russischen Führer Angst hatten und haben und ihre europäische Politik ausrichteten und ausrichten. Es erklären sich wie von Zauberhand die Politik Stalins in Osteuropa und Puntins Ukraine-Politik der vergangenen Jahre. Dass es nicht nur an der Geographie lag, ist dem Autor auch klar und so muss er den ganzen Rest auch noch erklären. Für andere Regionen gilt dasselbe: Kein richtiger Krieg je zwischen China und Indien? Liegt am Himalaya. Die Grenze zwischen USA und Mexiko? Wegen Wüste sowieso schwierig. Warum Japan nur mit Atomwaffen bezwungen werden konnte? Lag am Insel-Status. So geht das munter weiter, dazwischen immer wieder neues und interessantes. Die große Theorie von der Allmacht der Berge und Flüsse und Täler und Wüsten kann das Buch nicht aufrechterhalten. Spätestens beim Afrika-Kapitel waren es eher die Willkür der Grenzziehungen und Unterdrückung und Ausbeutung durch die Kolonialmächte, weniger die geographischen Verhältnisse. Interessant ist die Rolle Chinas in der Welt, die sich weniger durch militärische Stärke als durch kapitalistischen Imperialismus in der Welt einkaufen, vor allem in Afrika und Nahem Osten. Dabei legen sie weniger Bedenken gegen Diktatur und Missachtung von Menschenrechten an den Tag als noch die USA, die neben Coca Cola auch Demokratie bringen wollten. Oder andersherum: China bringt nur Geld und mischt sich weniger in lokale Politik ein. Ohne das zu bewerten, ist es doch ein erstaunlicher Trend. Aber auch hier ist das Buch weit weg von seinem eigentlichen Anspruch. Ich hätte mir wirklich mehr Details gewünscht, geschichtliche Ereignisse, in denen die Geographie der entscheidende Faktor war, die Wende brachte. Und dafür dann weniger allgemeine Erklärungen. Aber die brauchts natürlich, um verständlich zu bleiben. Die Karten sind lieblos blau in blau, schlecht lesbar und viel zu oberflächlich, so dass man auf sie auch verzichten hätte können.