monerl
(4,5 Sterne) Meine Meinung Die noch sehr junge Autorin hat einen außergewöhnlichen Familienroman geschrieben, der sich mehr und mehr entfaltet, je weiter man mit dem Lesen voranschreitet. Zu Beginn wird uns eine zerrüttete Familie vorgestellt, in der die älteste Tochter Hadia den Versuch startet, alle Familienmitglieder wieder zusammenzubringen. Doch es ist kein leichtes Unterfangen. Durch die vier Kapitel erfahren wir aus Sicht der verschiedenen Familienmitglieder, was genau passiert ist und wie es zu dem Konflikt gekommen war, dass der Sohn für einige Jahre kein Teil mehr der Familie war. Die wechselnden Blickwinkel, die nicht chronologisch erzählt werden, gehen in die Vergangenheit der Eltern zurück, wie sie sich kennengelernt hatten und wie es dazu kam, dass die schiitisch muslimischen Eltern aus Indien in die USA ausgewandert sind. Als Leser*in erfährt man, wie die Familie gegründet wurde, in welchen Bereichen sie sich integriert hatten und in welchen sie den eigenen Traditionen folgten und welche Auswirkungen das auf die in den USA geborenen Kinder hatte. Ebenso werden wir in die Zeit nach dem 11. September mitgenommen und wir erfahren, was dieser Tag für Konsequenzen für die Familienmitglieder mit sich brachte. Manchmal konnte ich jedoch keinen roten Faden erkennen und hatte die eine oder andere Länge zu überwinden. Und wenn man sich fragt, worauf das alles hinauslaufen soll, kommt genau zum richtigen Zeitpunkt das grandiose vierte und letzte Kapitel, in dem man endlich die Sicht und die Gefühle des Vaters präsentiert bekommt! Und dieses wog für mich alle Schwächen und Längen wieder auf. Wunderschön gelingt Fatima Farheen Mirza die Gedanken und Wünsche des Vaters aufs Papier zu bringen. Endlich wird dem*r Leser*in alles klar, man versteht die Konflikte, die Fehler, das Zerwürfnis. Und es schmerzt! Ich hatte in diesem letzten Kapitel sehr gelitten. Ich las und ich weinte, da man auch im Buch die Zeit nicht zurückdrehen und gemachte Fehler nicht immer wiedergutmachen kann. Das Leben geht weiter, man muss damit leben, was man angerichtet hat. Der Hauptkonflikt entsteht zwar aus dem religiösen Leben und der Ansicht der Eltern in Verbindung mit der religiösen (hier: der schiitischen) Gemeinde heraus, doch ist er auch auf andere Familien übertragbar. Liebe, Schuld, Arroganz, Eifersucht unvm. spielen eine Rolle, die in jeder Familie auf die eine oder andere Art vorhanden sind. Fatima Farheen Mirza setzt sich mit ihren Figuren sehr intensiv auseinander. Ihr agieren ist absolut realistisch und vorstellbar. Ich habe das Gefühl, dass dieser Roman die Wirklichkeit sehr realistisch beschreibt. Im Buch werden einige islamische und arabische Worte und Begriffe verwendet, die leider nicht übersetzt werden. Das empfand ich als ein großes Manko! Ich kenne mich recht gut mit diesen religiösen Traditionen und arabischen Begriffen aus, doch Leser*innen, die damit noch nie zu tun hatten, werden ihre Schwierigkeiten haben. Es wäre ein Leichtes gewesen, ein Glossar mit Erklärungen einzufügen. Ein weiterer etwas negativer Punkt ist, wie bereits weiter oben erwähnt, der leicht durcheinander geratene Mittelteil, in dem sich die Geschichte gar nicht weiter entwickelt. Dies hätte die Autorin m. M. n. umgehen können. Ich habe das Gefühl, dass sie noch nicht richtig wusste, worauf sie ihr Buch hinauslaufen lassen, auf welche Dramatik sie ihren Fokus legen sollte. Dennoch ist das Buch als eine großartige Geschichte, die ich lange nicht vergessen werde. Ich bin sehr gespannt darauf, was wir von dieser Autorin noch alles lesen werden. Fazit Für Leser*innen, die offen für neue Kulturen sind und versuchen wollen zu verstehen, welche Schwierigkeiten Immigranten haben können, die aus einem anderen Kulturkreis einwandern. Für Liebhaber*innen von Familiendramen und ungemütlichen Charakteren. Für Leser*innen, die empathisch sind und eine ganz besondere Geschichte kennenlernen wollen. Absolute Leseempfehlung!