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lermann

Posted on 13.3.2019

Die Überschrift des einleitenden Kapitels “Warum wir über Drogen reden müssen” schickt uns zurück zum elterlichen Esszimmertisch, wo solche unbequemen Gespräche noch heute gerne geführt werden. Es ist den beiden Autoren manchmal anzumerken, wie anstrengend Aufklärung sein kann. Doch sie liefern wertvolle Details aus den Karrieren solcher berüchtigter Stoffe wie Psilocybin, LSD und Ayahuasca, die das eigene Wissen an vielen Stellen mit neuen Erkenntnissen und fast Vergessenem auffüllt. Beeindruckend schildern sie beispielsweise einen möglichen Einsatz von MDMA als Heilmittel gegen posttraumatische Belastungsstörungen der vielen aus dem Irak-Krieg psychisch versehrt heimgekehrten US-Soldaten. Auch wenn die Selbstversuche noch auf illegalem Terrain durchgeführt werden, in den letzten Jahrzehnten haben sich bei den Befürwortern und Engagierten die Akten mit beweiskräftigen Studien bis zur Decke gestapelt. Das amerikanische Verteidigungsministerium muss auch einen PR-Krieg gewinnen, denn heute begehen mehr Soldaten Selbstmord als im Feld sterben. Alkohol ist für die Betroffenen meistens keine Lösung, doch Nüchternheit eben auch nicht. “Neues von der anderen Seite” gibt auch den bekannten Helden wie Timothy Leary und Albert Hoffman ihren wohlverdienten Platz, in einer kurzen Rückschau zu Beginn. Aber die Autoren bleiben nicht lange in den bunten Sechzigern. Wenn etwas von damals noch immer oder noch mehr Gültigkeit für sie hat, dann das von Leary immer wieder proklamierte Set und Setting. Ganz gleich, ob man nun eine Grastüte raucht oder sich feinstes LSD aus dem Darknet auf die Zunge legt, der ideale psychedelische Rausch funktioniert eher nicht in der Single-Einzimmerwohung, mit dem Smartphone als Begleiter. Der angenehme Trip braucht Freunde, Helfer, Moderatoren, im Falle von Ayahuasca sogar am besten einen “seriösen” Schamanen, der leiten und eingreifen kann. So gesehen ist Alkohol die Droge, die zu unserer Gesellschaft passt. Weil man sich damit eben auch wunderbar alleine die Kante geben kann. Eine Legalisierung der anderen weichen wie harten Drogen darf aber nicht nur unter dem Aspekt der steigenden Steuereinnahmen bewertet werden, sondern auch eine Art “Schule des Rausches” mit sich bringen. Keine weitere Vernebelung, sondern Aufklärung und Anleitung sind dann gefordert. Der Schluss eines solchen Buches kann deshalb nicht euphorisch sein, sondern zurecht auf das Wagnis hinweisen, das man eingeht, wenn man psychedelische Reisen unternimmt. Eine Erfahrung, die ein Leben verändert und Türen ins Ungewisse öffnet, ist nichts für Jeden. Und die Rauschmittel dafür sind im Untergrund und im Medizinschrank vielleicht doch besser aufgehoben. Und warten dort weiter auf ihre Zeit.

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