lermann
Man denkt man kennt dieses Buch, wenn man Kubricks Verfilmung gesehen hat. Selbst oder gerade ein Film wie „Shining“ wird seiner Vorlage nur in Teilen gerecht. Darüber wurde viel geschrieben und der Vergleich langweilt mittlerweile. Mir war nur irgendwann aufgefallen, dass ich Stephen Kings Roman noch nie gelesen hatte. Auf dem örtlichen Wertstoffhof fiel mir eine Bücherbundausgabe in die Hände, den lächerlichen Schutzumschlag entsorgte ich noch vor Ort. Aber der Inhalt war ja derselbe, den man als die hier erhältliche deutsche Übersetzung von Harro Christensen kennt, einer, der auch danach noch ein paar Romane von King übersetzt hat, unter anderem „The Stand“. Wahrscheinlich ist „Shining“ das Buch von King, das sich mit den meisten Superlativen schmücken kann. Der Horror hier ist extrem beunruhigend und Kings Schreibe auf ihrer ersten Höhe angelangt. Es gibt nicht Wenige, die es für sein bestes Buch halten und mit diesen Leuten möchte ich nicht streiten. Mit dem Overlook Hotel hat er eine Kulisse geschaffen, die nach ihm viele kopiert haben. Als Spukhaus hat es alles was es braucht: eine Meute Geister, die allabendlich feiern bis zum Morgengrauen, lebendige Heckentiere, die vor dem Gebäude darauf achten, dass niemand entkommt und die berühmte tote Frau in der Badewanne. Man muss die Dame nur erwähnen und der Adrenalinspiegel steigt an. „Shining“ ist aber gleichzeitig ein Buch, das es einem leicht macht, einzutreten. Wer Kings Horror mag, der fühlt sich dort so wohl wie in kaum einem anderen seiner Bücher. Das liegt an einem sehr menschlichen Jack Torrance, der sich von Anfang an in das Spukhotel verliebt und auf Gegenliebe trifft. Mit Jacks Alkoholproblem geht King enorm empathisch um und macht den armen Mann nicht zum Verrückten, sondern zu einem Kranken Menschen, den seine Familie hilflos ins Dunkle abgleiten sieht. Dreißig Jahre später schrieb King mit „Doctor Sleep“ eine Fortsetzung, der ich allerdings keine Zeile zu viel widmen möchte. Aber auch hier strickt er am Verständnis für den Alkoholkranken weiter. Er weiß eben wovon er spricht. „Shining“ hat so viele Ebenen wie das Overlook-Hotel Zimmer. Man muss sie nicht alle gesehen haben, aber manche lassen einen nicht mehr raus.