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Sofie Lichtenstein

Posted on 25.2.2019

Einer der sogenannten Klassiker der sehr überschaubaren lesbischen Literatur (Fuck you cis-hetereosexistischer Literatur- und Kulturbetrieb). Und eins vorab: Ein großartiges Buch, das nicht bloß für Lesben lesbar ist. Wann immer ich von der unerträglichen Gewalt las, die Butches, trans Personen und Genderqueers tagtäglich erfahren haben (Zeitraum 60er - 80er), kam ich nicht umhin, zu denken: Der Mensch ist ein widerliches Stück Scheiße. Vor allem die männliche Gewalt, zumal der Polizei (!), die im Buch dargestellt wird und auf realen Erfahrungen basiert, kennt keine Grenzen - und ist umso erschreckender, als sie allenthalben lauert. Wieviel Schaden das Patriarchat angerichtet hat (und nach wie vor anrichtet), ist nicht in Worte zu fassen. Eine (Butch)-Lesbe, trans oder schwule Person zwischen den 60er bis 80er zu sein, war akut lebensgefährlich. Nicht umsonst ist in dem Buch immer wieder davon die Rede, "irgendwie zu überleben", selbst wenn das bedeutete, Hormone zu nehmen, um als Mann durch- und mithin Schläge, Trittte und Vergewaltigungen zu entgehen. Wenn es in dem Buch neben all der beschriebenen Brutalität nicht auch die kleinen Momente tiefer Schönheit gäbe, etwa wenn Szenen der Solidarität und Nähe geschildert werden, hätte ich die Lektüre womöglich nicht verkraftet; insofern kaum auszudenken, dass es diese und ähnliche Leben vielfach gegeben hat. Dass Menschen wie Jess Goldberg - die (semi)biografisch angelegt ist - existierten, die mehrfach durch cis-männliche Gewalt traumatisiert wurden, psychisch immer wieder dem Ende nahe waren, täglich ums Überleben kämpfen mussten und trotz allem noch so etwas wie Lebensmut empfinden sowie die Kraft aufbringen konnten, für eine bessere Welt für nachfolgende Generationen einzustehen, ist so bewundernswert und berührend, dass auch hier die Limitation von Worten offenbar wird. Es ist eine Frage des Anstands, Leuten wie Leslie Feinberg zutiefst dankbar zu sein. Leuten, die unter widrigsten Umständen überleben mussten und sich dennoch ihre Menschlichkeit bewahrt haben; Leuten, die Scheiße gefressen haben und allen Grund gehabt hätten, sich zu erschießen; stattdessen aber noch für eine bessere Welt kämpften, damit wenigstens nachrückende Generationen es besser haben als sie selbst. Es wird oft vergessen, dass die Freiheit, wir heute besitzen, das gemachte Netz, in dem wir sitzen, nichts ist, das es seit jeher gegeben hat, sondern bloß durch viele erbitterte Kämpfe und Leidensgeschichten hervorgehen konnte -- ob es nun die Civil Right Movement betrifft, den Feminismus, die LGBTIQ-Bewegung usw. usf... Und dass auch heute noch Leute gegen die rassitisch-patriarchalen Windmühlen von Hass und Ignoranz aufbegehren -- Leute, deren Aktivismus entweder öffentlich oder hinter vorgehaltener Hand als nervig und überzogen abgetan wird. Think about it.

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