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Marc Lippuner

Posted on 11.2.2019

Die amerikanische Autorin Chris Cander legt mit DAS GEWICHT EINES PIANOS einen bis ins letzte Detail sorgsam durchkomponierten Roman vor, der dramaturgisch äußerst geschickt das Schicksal der Russin Katya mit der Lebensgeschichte der Amerikanerin Clara verschachtelt, die nacheinander Besitzerin ein- und desselben Blüthner-Klaviers sind. Im Wechsel wird das tragische Leben Katyas, die in den 1980er Jahren mit ihrem gewalttätigen Mann und dem gemeinsamen Sohn nach Amerika auswandert, mit den Alltagsproblemen der frischgetrennten Automechanikerin Clara kontrastiert, wobei das Klavier eine Schlüsselrolle spielt, die in bester amerikanischer Erzählmanier erst nach und nach enthüllt wird. Während die eine Biografie mit stereotyp russischer Schwermut rasch auf ein trauriges Ende zusteuert, plätschert die andere, in der Katyas Sohn eine entscheidende Rolle spielt, stellenweise etwas zu lang in vorhersehbarer Romantic-Comedy-Manier dahin und erinnert ein wenig an die frischfrechen Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen des ZDF. Im Fazit wirkt der Roman, als sei er auf einem Reißbrett entstanden. Nichts wird dem Zufall überlassen, auch die Neugier nicht, die kalkuliert entfacht wird, damit die Leser_innen die Geschichte in ihrem eigentlichen Ablauf auch vollends erfassen wollen. Leider bleiben die Protagonist_innen und ihre Motivationen, zu handeln und zu fühlen, bei all der komponierten Perfektion merkwürdig blass. Es ist ein wenig, wie in einem Klavierkonzert zu sitzen, in dem der Pianist oder die Pianistin bewundernswert technisch perfekt ist, es aber trotzdem nicht schafft, dass der Funke überspringt.

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