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Es beginnt mit einem interdisziplinären Hauptseminar zum Thema „Intrige“, das die grundverschiedenen Charaktere dieses Romanes zusammenführt. Da gibt es einen immer gut gelaunten, pragmatisch denkenden Ingenieur, eine Romanistin, die oft unter ihrem un-akademischen Kleinstadthintergrund zu leiden hat, ein einen verliebten und vergeistigten Philosophen, eine amerikanische Austausch-Studentin der Gender Studies, einen „staubtrockenen“ Doktoranden, einen karrierebesessenen Juristen und eine Ethnologin, die sich stets darum bemüht „eine ähnliche Gelassenheit auszustrahlen“ wie ihr geliebtes Kräuter-Regal. Nachdem zu Beginn des Buches das Seminar endet und die Semesterferien beginnen, könnten sie nun alle eigentlich wieder getrennte Wege gehen, doch ganz so einfach ist das nicht, denn irgendwie sind diese ganzen verschiedenen Leben, dann alle auf verschiedenste Weise miteinander verknüpft: durch angestrebte und zufällig entstehende Liebschaften, durch Forschungsprojekte, Rachefeldzüge und natürlich: Intrigen. Das Zentrum der Geschichte bildet die fiktive Schriftstellerin Lydia Ottone, Autorin skandal- und intrigen-trächtiger Romane, mit einem ebenso skandalträchtigen Leben. Britta, die sympathische, etwas unsichere Romanistin, möchte die Werke dieser Autorin für ihre Magisterarbeit mit einem in Vergessenheit geratenen italienischen Autor vergleichen. Sigmund, der Doktorand der theoretische Texte jeglicher Beschäftigung mit dem „wirklichen Leben“ vorzieht, wurde von seinem Psychoanalytiker verordnet, die als abstrakt angelegte Doktorarbeit zu einer sinnlichen Biographie zu machen – von Lydia Ottone. Was diese beiden Nachwuchswissenschaftler*innen jedoch nicht wissen, ist, dass es einige Menschen – darunter auch den Professor ihres Intrigenseminares gibt – denen es sehr wichtig ist, dass gewisse Einzelheiten aus Ottones Leben nicht an das Auge der Öffentlichkeit geraten. Wie es häufig üblich ist im Genre des Campus-Romans schreckt Dorothee Nolte nicht davor zurück, sich beim Charakterisieren der Figuren mit vollen Händen im Fundus der Klischees über die verschiedenen Fachbereiche zu bedienen. Was häufig dazu führt, dass Romane durch allzu platte Charaktere, die nicht durch eine ebenfalls platte Handlung zu tragen wissen, zu langweiligen Parodien werden, für die nichts spricht, außer das selbe müde Schmunzeln das einem meist schon der Klappentext entlockt, ist hier richtig gemacht worden: die Handelnden sind mehr als nur das Gerüst der Klischees, aus denen sie gebaut sind, und die Handlungsstränge sind so verworren, überraschend und doch immer anders als gedacht, dass man das Buch in einer Sitzung verschlingen möchte, was bei den knapp 200 Seiten auch gut gelingt. Abgesehen von den Schlag auf Schlag folgenden immer neuen Erkenntnissen und Ereignissen ist es der stetige Humor der Geschichte, der mich das Buch mit einem konstanten Grinsen im Gesicht lesen ließ. Als Britta auf der ersten Seite lapidar beschrieben wurde mit: „Sie hatte Kartoffelsalat im Rucksack und Wehmut im Herzen“, waren große Hoffnungen auf den Stil in mir geweckt, die nicht enttäuscht wurden. Abgesehen von so treffenden wie spitzzüngigen Beschreibungen der Charaktere kommen natürlich die dunklen Seiten des Uni-Betriebes nicht zu kurz. Es wird als gegeben hingenommen, dass Professoren die Arbeiten ihrer Studierenden nicht selbst korrigieren, weshalb es keine Schande ist, wenn man akademische Ghostwriter beauftragt. Natürlich gibt es einen Psychotherapeuten, der sich auf die Probleme auf dem akademischen Arbeitsmarkt spezialisiert hat („Vergessen Sie nie, daß dies das Wichtigste im Leben ist. Erst der Job, dann die Psyche“, um jenen Analytiker selbst sprechen zu lassen). Obwohl all dies nicht sonderlich aufmunternd klingt, ließ mich das Buch mit einem Lächeln zurück. Der Humor ließ nie nach, die rasche Geschichte hatte keine Durchhänger, und die Charaktere waren mir, trotz der oft skizzenhaften Darstellung, schnell interessant und sympathisch geworden. Das Einzige, was ich zu bemängeln habe, sind die gefühlt unzähligen Anspielungen auf Brittas „überflüssige Pfunde“ – klar, ein Mal kann man das erwähnen, damit auch ihre Unsicherheit diesbezüglich gezeigt wird, aber in dem Maße (in den Massen), wie es hier aufkam finde ich dieses Körperbild genau so, wie die Erzählerstimme Brittas Pfunde: überflüssig. Aber abgesehen davon: Eine große Empfehlung meinerseits!